Während ein mobiles Ärzteteam am Nachmittag des 21. April in einem buddhistischen Kloster im Dorf Aidai Erdbebenopfer behandelte, sind Ort und Kloster von der Luftwaffe der Junta angegriffen worden. Zwei Mönche und vier Anwohner wurden dabei verletzt. Aidai liegt in der Region Sagaing nahe dem Epizentrum des Erdbebens der Magnitude 7,7 vom 28. März.
Gleichzeitig bringen in Sagaing die Volksverteidigungskräfte der Schattenregierung National Unity Government (NUG) die Armee zunehmend in Bedrängnis. Nach Angaben von Oppositionsgruppen ließen die Machthaber seit dem Erdbeben 140 Luft- und 24 Artillerieangriffe auf zivile Ziele durchführen, bei denen 160 Menschen starben.
Fast die Hälfte der mehr als zwei Millionen von dem Erdbeben betroffenen Menschen hatte laut Angaben der Vereinten Nationen auch mehr als drei Wochen nach der Katastrophe noch keine Hilfe erhalten[1]. Diese werde durch nicht näher genannte Beschränkungen des Zugangs zu wesentlichen Dienstleistungen eingeschränkt, so die Uno. Der Sonderbeirat für Myanmar (SAC-M) ist da deutlicher: »Das Militär will einfach nicht, dass Hilfsgüter die vom Widerstand kontrollierten Gebiete erreichen«, sagte der ehemalige australische Menschenrechtskommissar Chris Sidoti gegenüber dem Sender ABC. SAC-M ist eine Gruppe früherer Diplomaten aus verschiedenen Ländern, die der demokratischen Bewegung in Myanmar eine Plattform bietet.
Die prominente Demokratieaktivistin Khin Ohmar bescheinigt der Junta »fehlende Empathie für das Volk«. Dies benutze Hilfe für die Erdbebenopfer als Waffe und übe so Rache am Widerstand[2].
Fast 4000 Menschen kamen durch die Folgen des Bebens ums Leben, mehr als 5100 wurden verletzt. Nach Angaben des Regimes zerstörte das Erdbeben mehr als 60 000 Häuser, 3500 Klöster, 2360 Schulen, 167 Gesundheitseinrichtungen und 155 Brücken.
Ein schlechtes Omen ist für die Generäle – die wie die meisten ihrer Landsleute sehr abergläubisch sind – der Kollaps ihrer vor 20 Jahren eingeweihten prachtvollen neuen Hauptstadt Naypyidaw infolge des Bebens. Ihre politische Macht war allerdings schon zuvor erschüttert. Nur noch ein Fünftel des Landes ist fest in der Hand des Regimes, das zudem die Kontrolle über die meisten Grenzen verloren hat.
Ob sich die Junta dank ihrer Luftwaffe und des Waffennachschubs aus Russland und China weiter an der Macht halten kann, ist die große Frage. Erste Anzeichen deuten aber darauf hin, dass sich bisherige Unterstützer langsam distanzieren. Die NGO International Crisis Group (ICG) stellt fest: »Die Fragmentierung des Staates Myanmar hat Indien dazu veranlasst, seine außenpolitische Haltung gegenüber seinem Nachbarn anzupassen.« Indien habe begonnen, sich den Regimegegnern anzunähern, die mittlerweile einen Großteil der indischen Grenze kontrollierten.
Ähnlich sieht es an der Grenze zu China aus. China, so das Fachblatt für Sicherheit und Politik »Geopolitical Monitor« im April, unterstütze die Junta einerseits mit Waffen als auch diplomatisch. Andererseits unterhalte es aber auch gute Beziehungen zu den Rebellengruppen, die an der Grenze zu China operieren und für »ihr materielles Überleben vollständig von Peking abhängig sind«. Ein Fazit des Reports »Chinas geopolitischer Balanceakt im Myanmar nach dem Putsch«: »Chinas Doppelmoralpolitik in Myanmar ist weitaus pragmatischer und wirtschaftlicher als ideologischer Natur und entspringt ausschließlich seinen geopolitischen Interessen.«
Für Aufsehen sorgte im April ein Treffen in Bangkok zwischen Junta-Chef Min Aung Hlaing mit Malaysias Premierminister Anwar Ibrahim in dessen Eigenschaft als amtierender Vorsitzender des südostasiatischen Staatenbunds Asean. Es sei um humanitäre Hilfe für die Erdbebenopfer und die Verlängerung des Waffenstillstands gegangen, hieß es offiziell. Sehr zum Verdruss der Junta traf sich Anwar aber auch mit Vertretern der Schattenregierung NUG.
Die ohnehin große Not in Myanmar, wo schon vor der Katastrophe fast 20 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen waren, hat sich seit dem Erdbeben weiter verschärft[3]. Und es wird nicht besser, wenn Mitte Mai der Monsun mit Wolkenbrüchen und Stürmen einsetzt. Zehntausende Menschen leben in Notunterkünften. »Diese sind aus Materialien gefertigt, die extremen Wetterbedingungen wie starkem Regen nicht standhalten«, warnt die Hilfsorganisation »Save the Children«.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190831.myanmar-myanmar-verweigerte-hilfe.html