nd-aktuell.de / 28.04.2025 / Berlin / Seite 1

Otto Rosenberg und Emílie Danielová: Befehlsverweigerung im KZ

Graphic Novels über den deutschen Sinto Otto Rosenberg und die tschechische Romni Emílie Danielová

Andreas Fritsche
Otto Rosenberg erinnert sich, wie Sinti und Roma im KZ Auschwitz-Birkenau der SS Widerstand leisteten.
Otto Rosenberg erinnert sich, wie Sinti und Roma im KZ Auschwitz-Birkenau der SS Widerstand leisteten.

»Obwohl die Dorfbewohner wussten, dass wir Roma waren, waren sie freundlich zu uns. Wir führten ein bescheidenes, aber gutes Leben. Meine Mutter Marie legte viel Wert auf Ordnung.« So schilderte Emílie Danielová, geboren 1924 als Tochter des Schmieds im mährischen Pašovice, ihre Kindheit und Jugend. Ihre 1997 aufgezeichneten Lebenserinnerungen bilden die Grundlage für eine 2022 digital veröffentlichte Graphic Novel, die jetzt auch gedruckt vorliegt.

Die Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn[1] gab sie als Buch heraus – als Buch, in dem noch eine weitere Bildergeschichte zum Schicksal des deutschen Sinto Otto Rosenberg enthalten ist.

Den Sohn im Lager verloren

Die letzte gemeinsame Feier der Familie von Emílie Danielová war im September 1942 die Hochzeit ihres Bruders Ladislav. Damals erwartete Emílie schon ein Kind. Doch die schwangere 18-Jährige wird in ein Lager für Sinti und Roma in Hodonín verschleppt und dort gequält. Ihren im Februar 1943 im Lager geborenen Sohn vermag sie nicht zu stillen. Sie gibt einer anderen jungen Mutter, die ihr Kind verloren hat, von ihrer kargen Brotration ab, damit diese das Baby an die Brust nimmt. Trotzdem stirbt der kleine František Ende März. Bis ins hohe Alter denkt Emílie jeden Tag an ihn. Sie überlebt zwar die Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und Ravensbrück, kann aber keine Kinder mehr bekommen. Außer ihr überlebt nur der Bruder Ladislav. Alle anderen Angehörigen werden von den Faschisten ermordet.

Von den 6500 Sinto und Roma, die zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in Böhmen und Mähren wohnen, kommen nur 800 mit dem Leben davon, schreibt Anna Míšková vom Museum der Roma-Kultur in Brno in einem Vorwort.

Was Otto Rosenberg erleben musste, deckt sich teilweise mit dem Lebensweg von Emílie Danielová. 1927 im ostpreußischen Dragupönen geboren, kommt er nach der Trennung seiner Eltern zu seiner Oma nach Berlin und lebt im Juni 1936 mit ihr bei Onkel und Tante im Ortsteil Bohnsdorf. Dann stehen plötzlich SA und Polizei vor der Tür. Die Familie wird wie andere Sinti und Roma der Stadt kurz vor den Olympischen Sommerspielen in ein Lager in Berlin-Marzahn gebracht, in dem es kein fließendes Wasser gibt und in dem auch sonst himmelschreiende hygienische Bedingungen herrschen.

Otto Rosenberg wird von der Rassehygienischen Forschungsstelle untersucht, die sich bemüht, mit pseudowissenschaftlichen Methoden die angebliche Minderwertigkeit von Sinti und Roma nachzuweisen. Weil Otto als Zwangsarbeiter in einem Rüstungsbetrieb ein Brennglas findet und fasziniert damit experimentiert, wird er zu Arrest verurteilt und nach Verbüßung seiner Haft nach Auschwitz deportiert. Er muss dem sadistischen SS-Lagerarzt Josef Mengele die Stiefel putzen und ist einmal selbst im Krankenrevier, wo Mengele grausame medizinische Experimente an Menschen vornimmt.

Widerstand in Auschwitz-Birkenau

Wie Danielová wird Rosenberg im Mai 1944 Zeuge einer kollektiven Befehlsverweigerung. Auf den Hinweis, dass die SS alle verbliebenen Sinti und Roma jetzt ermorden wolle, bewaffnen sich diese mit Werkzeugen und Steinen und verharren in ihren Baracken, als sie heraustreten sollen. Die SS bricht die Aktion ab. Drei Monate später werden die arbeitsfähigen Sinti und Roma nach Westen abtransportiert, die übrigen vergast. Über das Konzentrationslager Buchenwald gelangt Otto Rosenberg nach Bergen-Belsen und wird dort befreit. Eltern, Geschwister und andere Verwandte hat er verloren.

Zu Fuß kehrt Rosenberg nach Berlin zurück und kämpft im Westteil der Stadt in den 50er Jahren vergeblich um eine Entschädigung. 1978 gründet er die Sinti-Union Berlin. Es ist der Vorläufer des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg. Dessen Vorsitzende ist heute seine Tochter Petra[2]. Sie erinnert sich, wie sie als kleines Kind ihren Vater nachts weinend in der Küche fand und sie ihn zu trösten versuchte.

Bundesverdienstkreuz 1998

Otto Rosenberg engagierte sich für die Erinnerung an die 500 000 von den Faschisten ermordeten Sinti und Roma und für die Rechte der Minderheit. Dafür erhielt er 1998 das Bundesverdienstkreuz. 2001 erlag er den Spätfolgen seiner Haft. 2007 wurden in Marzahn eine Straße und ein Platz nach ihm benannt[3]. Viel ausführlicher als in der Graphic Novel ist sein Lebensweg in seiner Autobiografie »Das Brennglas« (1998) geschildert.

Doch das von Pedro Stoichita illustrierte Buch »Das war für uns das Aus« über Rosenberg und Danielová erschüttert und berührt auf seine Weise und ist geeignet, insbesondere junge Menschen 80 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus über die Verfolgung der Sinti und Roma aufzuklären.

Das Buch »Das war für uns das Aus« kann bestellt werden per E-Mail (gedenkstaette-lager-marzahn@berlin.de[4]) oder per Post (Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn e. V., Postfach 120 415, 10594 Berlin). Das Buch kostet nichts, es wird jedoch um die Übersendung von 2,55 Euro in Briefmarken für den Versand gebeten. Größere Bestellungen anfragen per E-Mail oder unter Tel.: 030/85 60 68 6-2 73.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1137863.berlin-sinti-und-roma-in-sorge-um-denkmal.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1140959.roma-die-wahrheit-ueber-sinti-und-unku.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/212982.erinnern-an-zigeunerrastplatz.html?
  4. gedenkstaette-lager-marzahn@berlin.de