Um in Zukunft erfolgreich zu sein, muss Die Linke ökologische Klassenpolitik machen. Sie gehört mit in den Fokus der Kampagnenarbeit. So könnte die Partei zeigen, dass es ihr am Herzen liegt, die Menschen vor der Erderhitzung zu schützen – in sozialer Sicherheit. Neben zum Beispiel Miete und Pflege wären mögliche Themen der ökologische Umbau der Industrie oder eine nachhaltige Energiewirtschaft in Gemeineigentum, die uns sicher und relativ preiswert versorgen kann.
Die Linke streitet für ein gutes und sicheres Leben für die arbeitenden Menschen. Aber das geht nur, wenn sie sich auch für die Sicherheit vor Umweltkatastrophen und den Folgen der Klimakrise einsetzt. Geht die Erderhitzung weiter wie bisher, wird es zum Beispiel auch bei uns nicht mehr garantiert ausreichend viel und bezahlbare Nahrung geben. Erträgliche Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse wird es gerade für viele Menschen, die geringe Einkommen haben, in Hitzeperioden nicht geben. Auch die Versorgung mit Energie oder der Schutz vor Sturzfluten werden davon abhängen, ob es gelingt die Erderhitzung aufzuhalten – oder zumindest das Allerschlimmste noch zu verhindern.
Eine linke ökologische und soziale Sicherheitspolitik kann nur gelingen, wenn sich Die Linke mit den Milliardären und Millionären anlegt, den Profiteuren des fossilen Kapitalismus. Nur wenn es eine echte soziale Wende gibt, wenn soziale Unsicherheit und Ungleichheit bekämpft und der Zusammenhalt gestärkt werden, wird unsere Gesellschaft wirklich krisenfest – weil nur so die politische Basis für eine ambitionierte Klimapolitik aufgebaut werden kann. Wenn die Menschen Angst haben, werden sie am Alten festhalten. Und nur wenn wir uns den Reichtum zurückholen, den die Superreichen uns gestohlen haben, können wir die dringend nötigen Maßnahmen ergreifen. Ohne Klassenkampf von unten keine soziale und ökologische Sicherheit. Und ohne Kampf gegen die Erderhitzung keine lebenswerte Zukunft für die arbeitenden Klassen.
Auch der Wahlerfolg bei den Bundestagswahlen zeigt, dass Die Linke ihre soziale Klima- und Umweltpolitik lautstärker vertreten sollte. Es ist ihr gelungen, eine neue Wähler*innenkoalition aus eher jungen Menschen, aus höher Qualifizierten, insbesondere aus gewerkschaftlich organisierten Angestellten und Erwerbslosen aufzubauen. Soziale Anliegen sind diesen Wähler*innen sehr wichtig, aber Sorgen um Klima/Umwelt treiben große Teile dieser Koalition ebenso um. Gefragt, was für sie wahlentscheidend gewesen sei, gaben 51 Prozent der Linkswählenden die soziale Sicherheit an, Klima und Umwelt landeten mit 18 Prozent auf Platz 2.
Gefragt nach den größten eigenen Sorgen, fiel das Bild anders aus: 82 Prozent sorgten sich, dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlage zerstört. Und: 41 Prozent der neu hinzugewonnenen Wähler*innen kamen von den Grünen, 33 Prozent von der SPD. Will Die Linke noch stärker werden, wird sie weiter von den Nichtwähler*innen gewinnen müssen, aber auch von SPD und Grünen. Für 91 Prozent der Grünen-Wähler*innen war Klimapolitik – wenig überraschend – sehr wichtig, aber auch 76 Prozent der SPD-Wähler*innen sagten das. Und 64 Prozent der Linke-Wähler*innen meinten, es werde zu wenig für den Klimaschutz getan. Das glaubten auch 55 Prozent der SPD-Wähler*innen, 80 Prozent der Wähler*innen der Grünen und sogar 24 Prozent des BSW.
Die Linke muss deshalb weiter an ihrem sozialistisch-ökologischen Unten-Mitte-Bündnis arbeiten. Zu diesem gehören »untere« und mittlere Milieus der Arbeiter*innenklasse, in denen die Partei bei den letzten Wahlen ordentlich abgeschnitten hat. Auch hier gibt es eine sehr große Minderheit, der Klimapolitik wichtig ist. Zur Wähler*innenkoalition der Linken müssen zugleich fortschrittlich denkende Menschen aus der sozialen Mitte gehören, deren Herzen gleichzeitig für soziale Gerechtigkeit und wirksame Klimapolitik schlagen. Diese »Klimasozialen« – die aus den unteren und mittleren Schichten der Arbeiter*innenklasse und die aus den jüngeren Teilen der Mittelklasse – dürften einen großen Teil der Linke-Wähler*innen im Februar gestellt haben. Sie können in Zukunft auch (wieder) die Grünen wählen, wenn die sich sozial nach links bewegen. Die Grünen in Niedersachsen haben das auf ihrem Parteitag im März schon vorgemacht. Wie gewonnen, so zerronnen – das ist zumindest die Gefahr für Die Linke.
Laut Bertelsmann-Stiftung hat Die Linke bei den Bundestagswahlen besonders gut in fünf Milieus abgeschnitten: Gut im traditionellen Arbeiter*innenmilieu (8 Prozent für Die Linke), im prekären Milieu (ebenfalls 8 Prozent), im sogenannten expeditiven Milieu – gemeint ist eine vor allem urbane, digital vernetzte Avantgarde – (10 Prozent), sehr gut hingegen im sogenannten neoökologischen Milieu (17 Prozent) und im postmateriellen Milieu (15 Prozent). Im prekären Milieu sammeln sich Angehörige aus unteren Schichten der Arbeiter*innenklasse, das traditionelle Arbeiter*innenmilieu und das neoökologische Milieu setzt sich aus Menschen aus unteren und mittleren Schichten zusammen, während das adaptive (lebenspragmatische) Milieu und das postmaterielle Milieu zur oberen Mitte gehören. Wie diese Menschen über die Umweltkrise, über soziale Probleme und Klimapolitik denken, zeigt eine repräsentative Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Zugespitzt kann man sagen: Überall gibt es ein durchaus kritisches Klimabewusstsein, aber in unterschiedlichem Maße. Bei Prekären und traditionellen Arbeiter*innen sind die sozialen Sorgen besonders groß, das Bedürfnis nach sozialer Politik sehr stark – während ein großer Block auch klimasozial denkt. Neoökolog*innen und Postmateriellen ist Klima besonders wichtig, aber ebenso soziale Gerechtigkeit. Für 60 Prozent des prekären Milieus waren die Inflation und die Rente besonders wichtige Themen, aber fast 30 Prozent gaben auch das Klima an. Im traditionellen Arbeiter*innenmilieu (wie bei den Prekären überwiegend mittelalte und ältere Menschen) waren über 45 Prozent die Inflation und 55 Prozent die Rente besonders wichtig – aber für fast 40 Prozent war es auch das Klima. Bei den Postmaterialist*innen gaben fast 50 Prozent bezahlbare Energie an, aber fast 70 Prozent das Klima. Bei den Neoökolog*innen (überwiegend jüngere Menschen) sahen 50 Prozent in der Inflation ein besonders wichtiges Thema, 50 Prozent meinten das aber auch beim Klima.
Oder: Alle Befragten wurden gebeten, auf einer Skala von 0 bis 10 anzugeben, wie wichtig das Thema Klima für sie war. Wichtig bis sehr wichtig (8 bis 10) war es für fast 40 Prozent der Prekären, für rund 55 Prozent der traditionellen Arbeiter*innen, aber für fast 70 Prozent der Neoöklog*innen und für fast 90 Prozent der Postmaterialist*innen. Rund 60 Prozent der Prekären und über 70 Prozent der traditionellen Arbeiter*innen meinten, »die Politik müsste viel stärkeren Druck auf die Wirtschaft ausüben, um eine klimaverträgliche Produktionsweise zu erreichen.« Und rund 55 Prozent in beiden Milieus stimmten »voll und ganz« und »eher« zu, dass Unternehmen zu wenig tun, »um den Klimawandel zu bewältigen«.
Natürlich, das Klimabewusstsein ist widersprüchlich. Etwa 70 Prozent in beiden Milieus meinten zum Beispiel gleichzeitig (etwa 30 Prozent aber eben auch nicht), dass es wichtigere Themen in Deutschland gebe. Andere Untersuchungen zeigen zudem, dass insbesondere in den unteren und mittleren Schichten der Arbeiter*innenklasse Verlustängste groß sind und das Gefühl weitverbreitet, auf etablierte Parteien könne man sich nicht verlassen, wenn es darum geht, die Anliegen der normalen Leute zu vertreten.
Will Die Linke diese Klimasozialen für ihr sozialistisch-ökologisches Unten-Mitte-Bündnis gewinnen, muss sie an diese Einstellungen anknüpfen. Sechs Bausteine sind dafür besonders wichtig. Erstens muss gezeigt werden, dass es die Milliardäre und Millionäre sind, die die Hauptverantwortung für die ökologische Katastrophe tragen. Sie leben mit ihren Privatjets und Luxusyachten nicht nur extrem rücksichtslos, sie sind auch die Hauptprofiteure des fossilen Kapitalismus, der mit seinen den Globus umspannenden Lieferketten Ressourcen und Menschen zugleich rücksichtslos ausbeutet. Warum nicht für eine Klimasteuer für Millionäre und Milliardäre trommeln, aus der zum Beispiel das Neun-Euro-Ticket bezahlt werden könnte?
Zweitens müssten die Macht des großen Geldes, der Lobbyismus und die politischen Eliten scharf kritisiert werden, die die arbeitenden Menschen politisch verlassen und vergessen haben. Wer Vertrauen dafür gewinnen will, in den Krisen unserer Zeit bestehen zu können, muss zunächst mit denen brechen, die ständig enttäuschen.
Drittens müsste die ökologische Klassenpolitik der Linken die Spannung produktiv machen zwischen einerseits der Dringlichkeit des Kampfes gegen die Erderhitzung und andererseits den sozialen Schutzbedürfnissen gerade in unteren Klassenmilieus. Es geht um das Versprechen gleichzeitig sozialer und ökologischer Sicherheit. Partei und Bundestagsfraktion haben dafür bereits viele Vorschläge in der Schublade. Aber Teil einer stringenten politischen Erzählung, die auch laut vorgetragen wird, sind sie leider nicht.
Eine linke ökologische und soziale Sicherheitspolitik kann nur gelingen, wenn sich Die Linke mit den Profiteuren des fossilen Kapitalismus anlegt.
In dieser Erzählung müsste viertens strategisch immer wieder auch die Eigentumsfrage gestellt werden. Es geht darum, das schwächste Glied in der kapitalistischen Verteidigungskette zu finden. Die Energieversorgung bietet sich dafür an, wie die politischen Gegner erkannt haben, die die Geldsorgen der Menschen aufgreifen. Warum nicht lauter sagen, dass es nur günstige und sichere Energie geben wird, wenn die Erneuerbaren durch Unternehmen in Gemeineigentum stark ausgebaut und die großen Energiemonopolisten verstaatlicht werden?
Die ökologische Klassenpolitik muss also an soziale Interessen und Bedürfnisse direkt anknüpfen und deshalb fünftens auch in organisierende Kampagnen münden. Insbesondere in den unteren Schichten der Arbeiter*innenklasse sind Menschen zum Beispiel auf Bus und Bahn angewiesen – in den Städten oft teuer, auf dem Land oft kaum ausgebaut. Warum also nicht die Initiative ergreifen, um den Menschen die Wege zum Einkaufen, Arzt, zum Sport oder zu den Liebsten zu ermöglichen, günstiger und besser? Bus und Bahn ausbauen, Ticketpreise runter und möglichst bald ticketfrei. Ideen und auch Erfahrungen dazu gibt es in der Rosa-Luxemburg-Stiftung und in der Partei längst.
Sechstens: Wie wir über die Dinge sprechen, ist entscheidend. Klimaschutz – geht es nicht eher um den Schutz der Menschen vor der Erderhitzung? Und löst es nicht ein anderes Gefühl aus, von diesem Menschenschutz zu sprechen, statt vom nötigen Schutz des Klimas? Oder: Natürlich ist es richtig, deutlich zu machen, dass große Teile der Erde unbewohnbar werden, uns Wasser- und Ressourcenkriege drohen. In einer politischen Erzählung sollte aber im Mittelpunkt stehen, was Hoffnung macht, also das, was wir anders machen können – und wie.
Und: Rechte setzen gezielt auf die Spaltung zwischen urbanen Klimaeliten und dem Rest, dessen Wohlstand durch diese bedroht werde. Die Linke muss dagegen den Klassengegensatz direkt ansprechen und die ökologischen und sozialen Interessen miteinander verbinden. Kurz: Wir brauchen eine neue, durchdachte Klimaerzählung.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190880.linkspartei-mehr-oekologische-klassenpolitik.html