nd-aktuell.de / 23.05.2008 / Politik / Seite 7

Bitte nur in der Sprache Molières!

Paris will Charta des Europarats über Regionalsprachen nicht ratifizieren

Rudolf Balmer, Paris

In Frankreich wird Französisch gesprochen. So will es die Verfassung. Doch das widerspricht inzwischen europäischen Standards zum Umgang mit Minderheiten.

Dem Vizepräsidenten der Nationalversammlung in Paris verschlug es die Sprache, als sein Parlamentskollege Daniel Mach aus dem Südwesten, wo viele noch ein regionales Katalanisch reden, das Wort ergriff: »Senyor Ministre, les Catalans sont gent orgulosa, honesta i pacifica ...« Bevor der Volksvertreter vor der anwesenden Kulturministerin seine Rede über die »stolzen, ehrlichen und friedlichen Katalanen« als Plädoyer für die Regionalsprachen weiterführen konnte, wurde er vom Tagungsvorsitzenden energisch aufgefordert, gefälligst in der Sprache von Molière fortzufahren. Denn laut Verfassung ist es »den Parlamentariern untersagt, im Plenarsaal eine andere Sprache als das Französische« zu verwenden. Dank Mach wussten die anderen Abgeordneten nun auch in akustischer Weise, worüber sie an diesem Abend diskutierten. Es ging eben um den Schutz und die Stellung der Minderheitensprachen in Frankreich.

Über Parteigrenzen hinweg hatte sich für diese Debatte eine Koalition aus Basken, Korsen, Bretonen, Elsässern, Okzitanen und Katalanen gebildet, denen die Bewahrung ihrer sprachlichen Eigenheiten seit Langem ein Anliegen ist. Dass ihrem Wunsch nach einer öffentlichen Diskussion im Parlament entsprochen wurde, war schon eine kleine Sensation. Ihre Hauptforderung – die Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen von 1992 durch Frankreich – hat aber weiterhin keine Chance auf Umsetzung. Dies beschied ihnen Kulturministerin Christine Albanel. Frankreich hat die Charta des Europarates zwar unterzeichnet, eine Ratifizierung aber sei nicht möglich, weil der Ministerin zufolge die vorgesehenen Rechte für die Regionalsprachen »unseren Grundsätzen zuwiderlaufen« und eine nicht geringfügige Verfassungsrevision voraussetzen würde.

Seit 1539 König François I. ein für alle Mal Französisch zur einzigen Amts- und Rechtssprache in seinem Reich erklärt hatte, fristeten die anderen Sprachen bis in die Gegenwart ein Schattenleben im Untergrund und wurden vom Zentralstaat vor allem aus Schulen und Kulturleben verbannt. Heute erlauben die Behörden zwar gnädigst einige Experimente mit zweisprachigem Unterricht, vor allem in der Bretagne. Aber die Priorität der Sprachpolitik ist und bleibt die Verteidigung des französischen Vokabulars, über das die Académie française wacht, gegen die »angelsächsische Überfremdung«. Denn niemand in Paris zweifelt daran, dass die französische Sprache das tragende Fundament der Zivilisation des Landes darstellt.