nd-aktuell.de / 07.08.2008 / Politik / Seite 5

Knatsch um KandidatInnensuche

Ja, nein, ja – weiß bei der LINKEN die Linke nicht, was die Rechte macht?

Gabriele Oertel
So kann man sich auch die Aufmerksamkeit der Medien in der Sommerpause sichern: Die LINKE sorgt Tag für Tag für neue, widersprüchliche Nachrichten um ihre Suche nach einem Kandidaten oder einer Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl im Mai 2009. Ja, nein, ja, lautete die gestrige Botschaft aus der Linkspartei.

Halina Wawzyniak hat offenbar die Nase voll. In der »Frankfurter Rundschau« (FR) beklagte sie sich gestern, als Partei-Vizechefin nicht über die von Bund-Länder-Koordinator Bodo Ramelow verkündete »erfolgreich abgeschlossene« Suche nach einer Kandidatin ihrer Partei für die Bundespräsidentenwahl informiert worden zu sein. Schimpft über »die Herren über 50«, die offensichtlich keine Telefonkonferenzen oder E-Mails kennen. Und damit nicht genug. Einer der Herren über 50, nämlich der Westbeauftragte der Partei Ulrich Maurer, widerspricht in der gleichen Zeitung Ramelows Aussage, die er als »persönliche Einschätzung« abqualifiziert und betont, »wir haben das Buch noch nicht zugemacht«, die Kandidatensuche sei »noch nicht abgeschlossen«.

So gesehen könnte Halina Wawzyniak wieder vom Baum herunterkommen. Wenn, ja wenn da nicht gestern Mittag eine Pressemitteilung aus dem Karl-Liebknecht-Haus in die Redaktionen geflattert wäre, in der Maurer und Ramelow in seltener wie seltsamer Einmütigkeit die staunende Öffentlichkeit wissen ließen, dass die LINKE »mit einer eigenen Kandidatin bzw. einem eigenen Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl antreten« werde. Um dann den nahezu schon als innerparteiliche Sprachregelung geltenden Satz vom feststehenden Fahrplan und der Entscheidung nach der Bayernwahl herunterzubeten. Maurer mag keinen Widerspruch zwischen seiner FR-Äußerung und dieser Mitteilung erkennen. Dass die LINKE eine eigene Kandidatur neben dem wieder antretenden Horst Köhler und der ihn erneut herausfordernden SPD-Kandidatin Gesine Schwan präsentieren werde, sei Grundsatzentscheidung schon seit Längerem – dass bereits eine Kandidatin gefunden wurde, damit längst nicht gesagt.

Es fällt schwer zu glauben, dass die LINKE sich auf eine derartige Geisterfahrt begeben haben soll – Anlass, sauer zu sein, hat die Parteivizechefin allerdings mit der widersprüchlichen Präsentation der Ihren in der Öffentlichkeit genug. Das sieht übrigens auch der Chef des Ältestenrates der LINKEN, Hans Modrow, so. »Eine solche Debatte zeugt von fehlender Abstimmung unter politisch Verantwortlichen und kann nur dazu beitragen, die Partei in die Ecke der Beliebigkeit zu drücken. Wer in dieser Weise Politik macht, wird unglaubwürdig«, erklärte Modrow gegenüber ND.

Die Fraktionsvizechefin der LINKEN, Gesine Lötzsch, sieht das ein wenig anders. Aus der »peinlichen Panne« mit der Veröffentlichung der beiden Kandidatinnen-Namen Christa Wolf und Daniela Dahn, die hernach dementiert werden mussten, habe die Partei Lehren gezogen. »Es ist richtig, im kleinen Kreis Entscheidungen vorzubereiten«, sagt Lötzsch, die ansonsten nicht eben mit ihren Vorbehalten gegen die einsam agierende Männerriege in der LINKEN hinterm Berg zu halten pflegt. Ihr wichtigstes Anliegen, so Lötzsch gestern gegenüber ND, sei ohenhin bereits erfüllt. Nämlich, dass ihre Partei nicht, wie vor vier Jahren, den kollektiven Ruf »Hurra, wir wählen Frau Schwan« angestimmt habe, ohne nach politischen Inhalten zu fragen. »Auch heutzutage kann Gesine Schwan nicht Kandidatin der LINKEN sein«, erklärt Lötzsch unter Verweis auf den nicht vorhandenen gemeinsamen politischen Zeichenvorrat.