ND: Bereits im Dezember ist in Bang-ladesch die 18-jährige Fatema Akter bei der Arbeit in einer Textilfabrik – sie produzierte vor allem für den deutschen Handelskonzern Metro – tot zusammengebrochen. Dies wurde erst kürzlich bekannt. Ursache für den Tod war Überarbeitung – die junge Frau wurde gezwungen, trotz Schmerzen weiterzuarbeiten. Ein Einzelfall?
Dusch Silva: Nein, dies ist gewiss kein Einzelfall. Der Druck auf die Frauen in der Textilindustrie hat nicht nur in Bangladesch, sondern in nahezu allen Textilerzeugerländern stark zugenommen. Allerdings ist der Fall extrem. Bei R. L. Denim, so der Name des Unternehmens, wurde bis spät in die Nacht gearbeitet. Und kurz vor einer Auslieferung nach Deutschland wurden die Nächte sogar durchgearbeitet. Dahinter steckt System, denn mit 97 Arbeitsstunden pro Woche werden selbst die in Bangladesch erlaubten Überstundenzahlen um 425 Prozent überschritten.
Metro hat nun die Aufträge bei der Fabrik in Chittagong storniert. Ist das eine richtige Reaktion?
Nein, beileibe nicht, denn es kann nicht sein, dass ein Unternehmen, das jahrelang die Menschen ausgebeutet hat und nun um sein Image fürchtet, einfach entscheidet: Wir produzieren hier nicht mehr. Man muss Metro in die Verantwortung nehmen und dafür sorgen, dass der Konzern diese Entscheidung zurücknimmt, die Aufträge an R. L. Denim bestätigt und dort endlich für faire Arbeitsbedingungen sorgt.
Bei R. L. Denim wurden bereits 2005 schwerwiegende Mängel festgestellt. Warum wurden die nicht abgestellt?
Das Kontrollsystem ist schlicht mangelhaft. Selbst Metro-Chef Eckhard Cordes gibt zu, dass der Re-Audit, also die Nachkontrolle, vergessen wurde. Menschliches Versagen hat er eingeräumt, doch wir kritisieren, dass die »Business Social Compliance Initiative« (ein europäischer Zusammenschluss von Einzelhandelskonzernen, der die Einhaltung sozialer Standards in den Zuliefererländern gewährleisten soll, d. Red.) kein geeignetes Kontrollinstrument ist. Dieses System sieht keine Partizipation lokaler Organisation vor und ist rein von Unternehmensseite geführt. Da kann man sicherlich erfolgreich kontrollieren, ob Feuerlöscher installiert sind und auch funktionieren, aber nicht, ob die Arbeitsbedingungen fair sind. Es gibt keinen direkten Bezug zu den Näherinnen und zu Organisationen, die sie vertreten.
Arbeitsbedingungen wie bei R. L. Denim, wo sieben Tage die Woche 13 bis 15 Stunden gearbeitet wurde, sind menschenverachtend. Allerdings steht das Unternehmen am Ende der Kette.
Das ist richtig und ich befürchte, dass es bei den Zulieferern nicht besser aussieht. In Bangladesch wird zudem viel in Heimarbeit produziert. Insofern könnte R. L. Denim die Spitze des Eisbergs sein.
Wie beurteilen Sie die Haltung der Regierung in Bangladesch?
Die Regierung ist bedacht darauf, den Mindestlohn niedrig zu halten, um mehr Unternehmen ins Land zu locken. Investitionen und Arbeitsplätze sollen generiert werden. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass es eine hohe Toleranz bei Verstößen gegen geltendes Recht gibt. Auch bei R. L. Denim wurde weniger als der Mindestlohn gezahlt.
Was kann man hierzulande tun?
Man kann die Proteste unterstützen und dafür sorgen, dass Metro nicht durchkommt. Es gibt schließlich alternative Monitoringverfahren, wo die Arbeitnehmer mit im Boot sind, zum Beispiel bei der »Fair Wear Foundation«.
Fragen: Knut Henkel
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/148951.kontrolliert-metro-zu-lasch.html