In Schweden wurde ein Verfahren entwickelt, das die Einsetzung eines künstlichen Gelenks unnötig macht: die Knorpelzelltransplantation. Dabei wird gesunder Knorpel entnommen, im Labor vermehrt und wieder eingepflanzt. Auch in Hamburg hat ein Arzt damit Erfolg - und dankbare Patienten.
Wenn das Knie schmerzt, bedeutet das fast immer eine langwierige Erkrankung. Nach Jahren oder gar Jahrzehnten des Leidens trotz Einnahme von Schmerzmitteln wird in letzter Konsequenz meist ein künstliches Gelenk eingesetzt: keine leichte Operation, zumal die Metallgelenke häufig zu Komplikationen führen.
Aber nicht jedes kranke Knie muss ausgetauscht werden: Schon seit 1996 gibt es in Deutschland - dank der Knorpelzelltransplantation - Hoffnung, das eine oder andere Gelenk zu erhalten. Das Verfahren ist zwar nicht für alle Patienten geeignet, wohl aber für solche, die sich beim Sport oder einem Unfall ihre Schäden zuzogen. Für Rheumatiker, deren Krankheit infektiös bedingt ist, und bei der Alters-Arthrose kommt die neuartige Methode hingegen nicht in Frage, ebenso wenig für Meniskus-Patienten.
»Umschriebener Knorpel-Defekt im Gelenk« muss die Diagnose heißen, damit Prof. Dr. Bernd M. Kabelka, Hamburger Orthopäde und Chirurg, dem Betroffenen helfen kann. »Die meisten Patienten, die zu mir kommen«, sagt er, »haben schon lange Probleme - und viele kommen zu spät.« Denn für die Prozedur, die Kabelka bisher an rund 50 Knien erfolgreich durchführte, muss das geschädigte Knie noch über ausreichend gesunde Knorpelmasse verfügen, damit ein Stück davon endoskopisch entnommen werden kann. Im Labor werden die Zellen vermehrt und es kommen dann bis zu 15 Millionen »eigene« Knorpelzellen in Glasbehältern zum Patienten.
Zum Einsetzen des Knorpels ins Knie muss »richtig« operiert werden, das heißt: mit offenem Schnitt und allen Risiken, die ein solcher sowieso mit sich bringt. Infektionen und Blutergüsse sind am ehesten gefürchtet. Abstoßungsgefahr besteht hingegen nicht: Es ist ja eigenes Gewebe, das da zugeführt wird. Sechs bis acht Wochen bedarf das frisch operierte Gelenk der Schonung. Das Knie soll in der postoperativen Phase zwar nicht überbelastet, muss aber regelmäßig bewegt werden. »Der Knorpel braucht die Bewegung wie die Motten das Licht brauchen«, formuliert Kabelka eindringlich die oberste Regel. Zum Sport darf man sich, während Knie und Knorpel zueinander finden, nur in angemessenem Tempo aufschwingen: nach vier Monaten ist Radfahren erlaubt, während Tennis- und Fußballspieler ein Jahr lang auf die aktive Ausübung ihres Lieblingssports warten müssen. Dafür behalten sie ihr natürliches Gelenk, müssen sich nicht mit chronischen Knochenveränderungen oder Entzündungen herumplagen, wie sie Patienten mit künstlichen Gelenken häufig treffen. »Das Schönste ist, dass ich jetzt wieder schmerzfrei mit dem Trecker übern Acker kann«, sagte denn auch ein 67-jähriger Landwirt aus Niedersachsen zu Kabelka, nachdem die Knorpelzelltransplantation den Bauern von einem langjährigen Martyrium erlöste. Die vier- bis sechstausend Euro, die die Behandlung kostet und die von den Krankenkassen meist nicht übernommen werden, waren für ihn absolut lohnenswert.
Ärgerlich nur, dass viele Ärzte in Deutschland weder das Verfahren an sich noch die Kollegen, die es vornehmen können, kennen oder kennen wollen. Weshalb die Knorpelzelltransplantation hier zu Lande kaum bekannt und geradezu ein Insidertipp ist. »Viele Ärzte sind wertkonservativ und haben zudem Angst, ihre Patienten zu verlieren«, sagt Pionier Kabelka dazu. In Schweden, wo die Knieknorpelzüchtung von zwei Professoren entwickelt wurde, und in den USA ist das anders: Seit Mitte der 80er Jahre wird dort Knieknorpel angezüchtet und zelltransplantiert. Theoretisch ist dieser Einsatz übrigens auch für andere Stellen als fürs Knie möglich. Praktisch aber finden sich die besagten umschriebenen Knorpel-Defekte vorwiegend in der Beinmitte. Und mittlerweile gilt das Verfahren als durchaus erprobt. Dass die deutschen Kassen dennoch lieber die um vieles teureren künstlichen Gelenke sowie die sie oft begleitenden langen Schmerztherapien und Nachbehandlungen zahlen, liegt wohl im Lobbyismus der hiesigen Medizinindustrie und auch in der Gewohnheit begründet. Wieder mal haben nur diejenigen Patienten Anspruch auf die beste Versorgung, die sie selber bezahlen können.
Prof. Dr. Bernd M. Kabelka, Kümmellstr. 1, 20249 Hamburg, Tel (040)4806970, www.dr-kabelka.de