nd-aktuell.de / 20.01.2010 / Kultur / Seite 14

Die Stasi war's

Springers 68er-Archiv

Jürgen Amendt

Vor wenigen Tagen öffnete der Axel-Springer-Verlag via Internet sein Zeitungsarchiv. Recherchiert werden kann in einer Datenbank, die aus rund 5900 Artikel besteht, die in den diversen Presseorganen des Verlages zwischen 1966 und 1968 über die westdeutsche Studentenbewegung und die Außerparlamentarische Opposition (APO) erschienen sind. Mit im kostenlosen Angebot auch einige Texte anderer Westberliner Zeitungen aus dieser Zeit.

Ganz ohne Profitgedanken tun das die Erben Axel Springers allerdings nicht. Mehr als 40 Jahre nach der Zeit, in der die Blätter des Konzerns kaum eine Gelegenheit ausließen, um gegen linke Studenten und die APO zu Felde zu ziehen, bläst Springer zur Geschichtsrevision. Für den Vorsitzenden der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, zeigen die ins Netz gestellten Artikel, dass die These, »das Haus Axel Springer sei eine zentral gelenkte Meinungsmaschine gewesen, welche die Studentenbewegung verhindern wollte«, durch das Archiv-Material nicht bestätigt werde.

Döpfner mag vielleicht an Meldungen wie die folgende gedacht haben: Unter der Überschrift »Flugblattaktion vor der Gedächtniskirche« berichtete die »Welt« am 13. April 1968 über den Protest evangelischer Studenten gegen die Haltung ihrer Amtskirche gegenüber Rudi Dutschke. In der kurzen Meldung wird auch der Pfarrer einer Zehlendorfer Kirche zitiert, der der Springer-Presse eine Mitverantwortung für das Attentat auf Dutschke vorwarf. Zwei Tage zuvor war der Studentenführer bei einem Anschlag durch Schüsse in den Kopf lebensgefährlich verletzt worden.

Der Trick Springers besteht darin, auch noch die letzte Meldung, die sich nur irgendwie mit dem Stichwort »Studentenbewegung« erfassen lies, in die Datenbank aufzunehmen. So schreibt die zum Springer-Verlag gehörende »Berliner Morgenpost«, dass es nur »eine dreistellige Anzahl von Beiträgen gab, die inhaltlich inakzeptabel war«. Außerdem hätten die in der Datenbank erfassten Texte in der Berichterstattung der Springer-Blätter sowieso nur »einen Anteil im unteren Promillebereich« ausgemacht. In der Fülle des Materials sollen so jene Texte verblassen, in denen z.B. mit der Forderung, man dürfe bei der Bekämpfung der APO die »Dreckarbeit nicht der Polizei überlassen«, zum politischen Pogrom aufgestachelt wurde.

Solche Artikel möchte der Springer-Konzern heute vergessen machen. Doch Döpfner geht noch weiter. Er spricht von »Klischees in den Köpfen«, die sich »als Endmoränen einer bis heute wirkungsvollen SED-Propaganda und Stasi-Desinformation« erweisen. Es gehört schon eine gehörige Portion Chuzpe dazu, auch noch der DDR die Schuld an der Berichterstattung der eigenen Zeitungen in die Schuhe zu schieben.

www.medienarchiv68.de[1]

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