nd-aktuell.de / 04.05.2002 / Politik

Trauer um Opfer in Erfurt

Bundespräsident vor 100000: Wehren gegen Verrohung der Gesellschaft

In einer bewegenden Trauerfeier auf dem Erfurter Domplatz nahmen gestern über 100000 Menschen Abschied von den Opfern der grausamen Bluttat am Gutenberg-Gymnasium.
Erfurt (ND-Liebers). Gemeinsam mit den Angehörigen der 16 Ermordeten, Schülern und Pädagogen des Gymnasiums und Kollegen des toten Polizisten waren Bundespräsident Johannes Rau, Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesratspräsident Klaus Wowereit, Außenminister Joseph Fischer sowie Abgesandte der im Bundestag vertretenen Parteien unter den Trauernden. Mit Sonderzügen kamen Lehrer und Schüler aus ganz Thüringen sowie aus Erfurts Partnerstadt Mainz und anderen Ländern. Sie gedachten der Pädagogen Heidrun Baumbach(56), Monika Burghardt(49), Dr. Birgit Dettke(39), Yvonne-Sofia Fulsche-Baer(38), Rosemarie Hajna(54), Gabriele Klement(43), Hans Lippe(44), Carla Pott(27), Heidemarie Sicker(59), Helmut Schwarzer(54), Hans-Joachim Schwertfeger(44), Peter Wolff(60), der Sekretärin Anneliese Schwertner (39), den Schülern Susann Hartung(14) und Ronny Möckel(15) sowie des Polizisten Andreas Gorski(41). Die Domstufen, auf denen ein weißes Kreuz und der Altar für den ökumenischen Gottesdienst im Anschluss an die Trauerfeier standen, waren mit einem Meer von Blumen bedeckt. »Eine Woche ist vergangen, aber das Entsetzen hat uns nicht verlassen«, sagte Rau, der den Angehörigen versicherte, sie würden nicht allein gelassen. An die Familie des Täters gewandt, tröstete er, was immer ein Mensch getan hat, er bleibe doch ein Mensch. Rau forderte jedoch auch dazu auf, sich gegen die Verrohung der Gesellschaft zur Wehr zu setzen. Das Zusammenleben dürfe nicht zum erbarmungslosen Konkurrenzkampf, die Beurteilung der Leistungen dürften nicht zum Urteil über einen Menschen werden. Der Bundespräsident dankte den Pädagogen, die ihre Arbeit unter schwierigen Bedingungen leisteten und wünschte, dass in der jungen Generation die Zuversicht geweckt wird, »dass die Welt nicht unheilbar ist«. Ihre Schule sei von einer familiären Atmosphäre geprägt gewesen, das solle auch wieder so werden, sagte Konstanze Krieg aus einer 11. Klasse des Gutenberg- Gymnasiums auf der Trauerfeier. »Wir werden die ermordeten Lehrerinnen, Lehrer, Mitschüler und alle Opfer bis zu unserem Ende im Herzen tragen«, versicherte sie. Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel(CDU) verwies auf die Solidarität, von der die Hoffnung ausgehe, dass es viel mehr Gemeinsamkeit und Gemeinsinn im Volk gebe, als zuvor für möglich gehalten worden sei. Erfurts Oberbürgermeister Manfred Ruge mahnte zu überlegen: »Wo haben wir, wo hat die Gesellschaft Fehler gemacht, wie gehen wir mit den Schwachen unter uns um?« Auch in anderen Städten fanden gestern Gedenkfeiern statt.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=16780&IDC=2[1]

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