Alberto Adriano war in der Nacht des 11. Juni auf dem Heimweg von einer Feier, als er im Stadtpark zufällig drei Rechten über den Weg lief, die sich am Bahnhof kennengelernt und betrunken hatten. Sie fielen über den Familienvater aus Mocambique, der 1980 in die DDR gekommen war und im Schlachthof gearbeitet hatte, her und traten, teils mit Stahlkappenstiefeln, auf ihr Opfer ein. Adriano starb kurz darauf im Krankenhaus. Sein Tod löste eine bundesweite Debatte über rechte Gewalt in der Bundesrepublik aus. Die damalige rot-grüne Bundesregierung um Kanzler Gerhard Schröder rief nicht nur zum »Aufstand der Anständigen«, sondern begründete auch Förderprogramme, mit denen die Zivilgesellschaft gestärkt und Opfer besser beraten werden sollten.
In Dessau wird heute und morgen an Alberto Adriano erinnert, aber auch darüber diskutiert, ob und wie sich die Lage von Zuwanderern in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren verbessert hat und welchen Erfolg die politischen und gesellschaftlichen Initiativen hatten. Bei einem »Tag der Erinnerung« debattieren dazu am Vormittag unter anderem Karamba Diaby, in Halle lebender Vorsitzender des Bundesintegrationsrates, die sachsen-anhaltische Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck sowie Mouctar Bah, Sprecher einer Initiative, die an den ebenfalls in Dessau zu Tode gekommenen Oury Jalloh erinnert. Dieser war 2005 in einer Polizeizelle verbrannt. Teilnehmen wird auch Stefan Cramer, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. Um 14 Uhr findet eine Gedenkstunde für Alberto Adriano statt, zu der SPD-Innenminister Holger Hövelmann und Cem Özdemir, Bundeschef der Grünen, erwartet werden.
Während in der Einladung für diese Veranstaltung nicht bewertet wird, welchen Erfolg die vor zehn Jahren ausgelösten Bemühungen hatten, zieht der Aufruf für eine am Samstag ab 13 Uhr angesetzte Antifa-Demo ein eher ernüchterndes Fazit. Es habe sich »nicht viel geändert«, heißt es unter Verweis auf anhaltende Gewalt von Rechts, aber auch die Ausgrenzung von Migranten, die in »Lagern« leben müssen, nicht arbeiten dürfen und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Mit der Demonstration solle dazu aufgerufen werden, dem »rassistischen Alltag« entgegenzutreten. Dagegen hätten repressive Maßnahmen wenig Erfolg, heißt es unter Verweis auf die drei Mörder Adrianos: Zwei zu je neun Jahren Haft verurteilte damals 16-Jährige sind wieder frei; ein damals 24-Jähriger, der zu lebenslänglich verurteilt wurde, hat seine Ansichten offenkundig nicht revidiert: Er gibt aus dem Gefängnis in Brandenburg eine rechtsextreme Knast-Postille heraus.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/172819.dessau-erinnert-an-tod-von-alberto-adriano.html