Eine freihändige Zwinger-Skizze des sächsischen Herrschers mit vier halbrunden Terrassen lehnt sich an die Gestalt des Bosischen Gartens in Leipzig an, den August der Starke bei seinen Messebesuchen bewunderte. Von der Messe und direkt aus Italien bezog er auch seine Orangenbäume, für die er ein Winterquartier brauchte. Augusts Baumeister Pöppelmann führte zuerst eine doppelläufige Freitreppe aus, die später dann mit dem Pavillon überbaut wurde.
Das Meisterhafte des Zwinger-Entwurfes besteht in diesem Offenhalten des Weiterbauens nach allen Seiten. Die Orangenbäume fanden schließlich im nahegelegenen Herzogin Garten ein Winterquartier, während die repräsentativen Bauten des Zwingers die Sammlungen aufnahmen, die für ein kleines Handgeld öffentlich zugänglich waren: Eines der frühesten Publikumsmuseen Europas. Erst die Beschneidung von Gottfried Sempers großartigem Forumsplan durch die Abriegelung der Elbseite mit der Gemäldegalerie (sie sollte eigentlich gegenüber der Oper großartig zum Fluss überleiten), verdichtete das Ensemble.
Der Zwinger war das geheimnisvolle Herz der Stadt. Und der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg war ein eindrucksvolles Bekenntnis zu Feierlichkeit und Stil in Zeiten des Mangels. Baumeister Pöppelmann hatte seine Erfahrungen aus Studienreisen mit Lesefrüchten zu einem extraordinären Prunkstück verbunden. Seine Bibliothek enthielt Kupferstichwerke über orientalische Parkanlagen, und die Ordnung der Wasserbassins, Pavillions und Arkaden gemahnt an die Schöpfungen der Mogul-Architektur.
Der Ausstellungsrundgang beginnt mit dem Gipsabguss einer Metope vom antiken Zeustempel in Olympia: Herkules mit den Äpfeln der Hesperiden. Das sagenhafte antike Hesperien, der äußerste Westen der alten Welt, ist identisch mit der iberischen Halbinsel, der Herkunftsregion vieler Südfrüchte. Die Symbolik der Halbgottes mit den goldenen Früchten zieht sich durch die ganze Ausstellung. Auf einer Medaille zu Augusts Krönung mit der polnischen Königskrone stemmt Herkules eine Erdkugel mit den Umrissen der Länder Sachsen, Litauen und Polen. Ein Gipsabguss von Permosers Herkules dominiert die Ausstellung. Der Recke verweist auf die kurze Reichstatthalterschaft Augusts im Jahre 1711 nach dem Tod Kaiser Joseph I.
Während das Kronentor des Zwingers den Adler der polnischen Königswürde zeigt, ist am französischen Pavillon der Doppeladler des Heiligen Römischen Reiches zu finden. Auf dem allegorischen Titelblatt des Kupferstichwerkes über dem herrschaftlichen Orangengarten trägt er auf der Brust das polnische und das sächsische Wappen Augusts. Die elegant bewegten Darstellungen der Winde Zephyr und Notos des Bildhauers Kirchner werden in der Schau kontrastiert von einem Sandsteinporträt Pöppelmanns von 1930. Starr wie ein aztekisches Götzenbild drückt der Perückenmensch ein Modell des Kronentors an seine Brust, das wie eine Konditorarbeit anmutet. Bruchstücke der Bauplastik des schon im 18. Jahrhundert wieder aufgegebenen Grottensaales werden gezeigt und chinesische Porzellangefäße, die zu festlichen Anlässen als Übertöpfe für Pflanzkübel dienten.
Wachsnachbildungen des frühen 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Universität Florenz und gefriergetrocknete Exemplare jüngerer Zeit aus sächsischen Gärten führen die Vielfalt der Zitrusfrüchte vor Augen: Bergamotte, Pomeranze, Bitterorange, Cedrate, Pampelmuse, Limone. Knollige, warzige, und gehörnte Exemplare in allen Farbvarianten von Gelb, Grün und Orange sind vertreten. Ein geschmiedeter Orangenbaum vom Marktplatz von Oranienbaum bezeugt die Strahlkraft der Frucht.
»Das Gold des Herkules – Der Dresdner Zwinger als Orangerie«, in der Bogengalerie am Wallpavillon in Dresden, bis 31. März 2011, täglich 10-17 Uhr
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/185307.das-gold-des-herkules.html