Ursachen für Mobbing sind Arbeitslosigkeit, Konkurrenzdruck, aber auch Antipathien unter Kollegen. Der erste Mobbing-Report beschreibt die Ausmaße und gibt Hilfestellungen.
Andreas war jung, motiviert, sehr engagiert im Verlag. Er brachte den Vertrieb auf Vordermann, organisierte öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen, kam mit neuen Ideen, blieb öfters auch nach Feierabend. Dabei war er noch nicht fest angestellt, sondern wurde auf Stundenbasis bezahlt. Bei den Kollegen kam er sehr gut an, beim Geschäftsführer auch. Dann kippte die Stimmung. Der Verlags-Chef verbreitete Gerüchte, Andreas wurde des Diebstahls beschuldigt, schließlich wies der Geschäftsführer die Kollegen an, ihm keine Aufträge mehr zu erteilen. Andreas rechtfertigte sich anfangs, wurde dann immer wütender, kündigte schließlich. Er hatte Glück - in kurzer Zeit fand er einen anderen Job.
Mobbing am Arbeitsplatz - keine Seltenheit. Jetzt liegt der erste Report zum Thema vor. In Auftrag gegeben hat ihn die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Ausmaß, Arten und Folgen von Mobbing am Arbeitsplatz werden hier untersucht. Es sei kein Randphänomen mehr in der Arbeitswelt, sagte Ulrike Mascher, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, bei der Vorstellung des Reports in Berlin. Etwa 2,7 Prozent - also 800000 Arbeitnehmer - sind aktuell von Mobbing betroffen. Jeder Neunte wird im Verlauf seines Erwerbslebens mindestens einmal gemobbt. Einem besonders hohen Risiko sind die Beschäftigten in den sozialen Berufen ausgesetzt wie Erzieher, Sozialarbeiter und Pfleger, fand die Studie heraus. Meistens mobben die Vorgesetzten. Frauen seien öfter betroffen als Männer, ebenso die jüngeren Arbeitnehmer, die unter 25-Jährigen, sowie die über 55-Jährigen. Einmal in Gang gekommen endet ein Mobbing-Prozess in mehr als der Hälfte der Fälle mit einer Kündigung.
»Mit dem Report soll endlich sachlich geklärt werden, was unter Mobbing zu verstehen ist«, sagte Bärbel Meschkutat, Mitarbeiterin der Studie. Kleine Sticheleien und Pampigkeiten im Arbeitsalltag, einzelne Konflikte, Reibereien oder Wutausbrüche bei Stress und Hektik fallen jedenfalls nicht darunter. Von Mobbing ist erst die Rede, wenn die Angriffe auf eine Person keine Ausnahme mehr sind, sondern systematisch und über einen längeren Zeitraum hinweg erfolgen. Mit subtilen Demütigungen und Kränkungen kann es beginnen. Mit Beleidigungen, vordergründiger Freundlichkeit, mit kleinen Intrigen und Schikanen. Die Atmosphäre wird immer eisiger, soziale Isolation, eine ungerechte Bewertung und Verteilung der Arbeit können folgen. Mobbing hat zum Ziel, einen Kollegen zu zermürben, ihm die Arbeit zu versauern, ihn langfristig von seinem Arbeitsplatz zu verdrängen. Die meist genannten Angriffe beziehen sich auf Veränderungen im Kommunikationsstil. Kontakt wird verweigert, jemand »wie Luft behandelt« oder »demonstrativ gemieden«, so die Studie.
Auf Grund der Subtilität und mangelnden Offensichtlichkeit ist es für die Opfer schwer, den Konflikt zu benennen. Sie können sich die atmosphärischen Veränderungen nicht erklären. Der Mobbingprozess wird den meisten erst im fortgeschrittenen Stadium bewusst. Die Folgen bei den Betroffenen sind Selbstzweifel, Versagensängste, Krankheit. Gibt es ein »typisches Mobbingopfer«? Eine landläufige Hypothese besagt, dass Menschen mit auffälligem Verhalten, ungewöhnliche Persönlichkeiten eher gemobbt werden können. Laut der Studie trifft das nicht zu - es kann jeden treffen. In einem Fall kann es ein hochmotivierter, sehr selbstbewusster Kollege sein, im anderen eine zurückhaltende, ruhige Person.
Mobbing gibt es schon immer. Dort, wo Menschen zusammenarbeiten oder -leben und voneinander abhängig sind. Ursachen gibt es viele. Die angespannte Arbeitsmarktsituation schafft natürlich das entsprechende Klima. Zunehmender Stress und Leistungsdruck verschärfen die Spannungen. Antipathien können eine Rolle spielen, ungelöste Konflikte, die Suche nach einem Sündenbock für mangelnde Erfolge. Mobbing werde oft auch als Karrierestrategie im Konkurrenzkampf eingesetzt, wenn die Arbeit eines Kollegen systematisch schlecht gemacht wird, so die Studie. Chronischer Personalmangel, starre Hierarchien, ungeklärte Zuständigkeiten, diffuse Machtverhältnisse, aber auch mangelnde Führungsqualitäten können Mobbing begünstigen.
Was tun? Die Opfer sollen sich wehren, sich mehrfach beschweren, so die Herausgeber der Studie. Beim Betriebsrat, beim Personalrat, und Zeugen mitbringen. Der Konflikt muss offen gelegt werden, denn Mobbing gilt als schlimmes Fehlverhalten von Kollegen und Vorgesetzten. Arbeitsrechtlich ist es verboten. Es gilt als Eingriff in das durch Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes geschütze Persönlichkeitsrecht. Daher sind in der Regel die als Mobbing bezeichneten Verhaltensweisen strafbar. Ulrike Mascher: »In den Betrieben muss klar sein, Mobbing ist nicht erlaubt.«
Infos unter
www.mobbing-abwehr.de,
www.mobbing-net.de.