nd-aktuell.de / 11.01.2011 / Politik / Seite 14

Eine Lehreinrichtung, so alt wie ein Baum

Seit 200 Jahren werden im sächsischen Tharandt Forstwirte ausgebildet – zu »Managern der grünsten Fabriken«

Hendrik Lasch
Im Wald darf nur so viel Holz geschlagen werden, wie durch Aufforstung nachwächst – diesem Prinzip ist die Ausbildung von Forstwirten in Tharandt seit nunmehr 200 Jahren verpflichtet. In Zeiten, da Holz als Rohstoff und Energiequelle immer begehrter wird, ist es aktueller denn je.

Die Berge waren fast kahl. Seit 550 Jahren war um Freiberg Silbererz abgebaut worden; um die Schächte auszubauen und das Metall zu gewinnen, wurden ganze Wälder gefällt. Aber auch zum Brennen von Ziegeln oder Heizen brauchte man Holz, das aber im Erzgebirge kaum noch zu finden war und zu hohen Preisen von weither geholt werden musste. Es gibt nur eine Lösung, schrieb der sächsische Oberbergmann Hans von Carlowitz 1713 in dem Buch »Sylvicultura oeconomica«: In einem Wald darf nur so viel Holz eingeschlagen werden, wie durch Aufforsten nachwächst.

Das Prinzip gilt heute mehr denn je, sagt Michael Müller, Leiter der Fachrichtung Forstwissenschaften der TU Dresden, die ihr Domozil in einer vom Wald umgebenen Stadt westlich der Landeshauptstadt hat: in Tharandt. Dort gründete Heinrich Cotta am 24. Mai 1811, also vor 200 Jahren, eine Forstlehranstalt, die Carlowitz' Gedanken von Beginn an verpflichtet war und an der seither 8500 Forstwirte, davon 2000 Ausländer, gelernt haben, wie man Wald so bewirtschaftet, dass er vielen Wünschen gerecht wird und dennoch gedeiht: Wald müsse, sagt Müller, so bewirtschaftet werden, dass »auch alle nachfolgenden Generationen ihn in gleicher Weise genießen können«.

Die Aufgabenliste für den Wald ist dabei gehörig lang – und wächst weiter. Er soll das Klima regulieren und Kohlendioxid binden, vor Fluten schützen und Wasser speichern, er soll Lebensraum für Tiere und Pflanzen bieten, Kulisse für Waldspaziergänge sein und Rohstoffe liefern. Holz ist dabei immer begehrter: Mit dem Versiegen des Erdöls setzt die chemische Industrie neue Hoffnungen auf Holz, und auch als nachwachsende Energiequelle ist der Rohstoff gefragt.

Die Lehrangebote des Tharandter Instituts, das weltweit zweitältestes seiner Art und eine von nur vier forstwissenschaftlichen Lehreinrichtungen in Deutschland, sind deshalb heute gefragter denn je, so Müller: »Waldmehrung steht welt-weit auf dem Programm.« Das Institut, das derzeit 800 Studenten hat, will diese Botschaft durch einen stark nachgefragten internationalen Studiengang »Tropical Forest Management« ebenso verbreiten wie durch viele weltweite Forschungskooperationen.

Auch in der Bundesrepublik seien die Absolventen der traditionsreichen Einrichtungen gefragt: bei Forstbehörden und Holzbetrieben wie auch in anderen Branchen, in denen der Gedanke eines nachhaltigen Umgangs mit den Ressourcen an Bedeutung gewinnt, sagt Studiendekan Norbert Weber, der die Studienabgänger als »Manager für die grünsten Fabriken« bezeichnet. Umgekehrt hat das Forstinstitut den Ort überregional bekannt gemacht, der sich selbst »Forststadt« nennt. Gleichzeitig ist das Institut mit rund 120 Stellen einer der größten Arbeitgeber der Stadt, so Bürgermeister Sylvio Ziesemer.

Das Jubiläum wird in Tharandt in diesem Jahr daher ausgiebig gefeiert. Höhepunkt ist eine Festwoche Mitte Juni mit Festakt, wissenschaftlicher Konferenz und einem Fest auf dem Campus, bei dem es Informationen und Spektakel rund ums Holz auch für Nicht-Wissenschaftler gibt, etwa Vorführungen im Baumrücken mit Pferden oder Schnitzerei mit Motorsägen. Eingerichtet wird auch ein Wald-Erlebnispfad. Ein 34 Hektar großer forstbotanischer Garten lädt ohnehin zum Besuch. Und wer Lust auf mehr bekommt: Um den Ort erstreckt sich ein seit Carlowitz' Zeit prächtig gediehener Wald.