Die Wadan-Werft heißt nach dem obersten Gott der germanischen Götterwelt, Wotan, aber von Allmacht und Unsterblichkeit kann hier schon länger keine Rede mehr sein. Zwar sprechen die Arbeiter der Wadan-Werft in Wismar immer noch von »ihrer« Werft, bei der der Vater schon arbeitete und oft genug auch der Großvater. Aber langjährige Verbundenheit ist kein Garant für ein stabiles Beschäftigungsverhältnis, Zugehörigkeitsgefühle auf Seiten der Belegschaft keine Gewähr für ein entsprechendes Verantwortungsgefühl auf Seiten der Werfteigner.
Was auch der Regisseur Dieter Schumann erfahren musste, der eigentlich einen Dokumentarfilm über einen Großauftrag drehen wollte, über modernen Schiffsbau und das, was so an ozeangängigen Megatonnagen auf einer Werft in Deutschland gebaut wird. Dann kam die Krise, und statt der Details ausgeklügeltster Bauvorgänge in einem Riesenmaßstab wurde die Abfolge von Eignerwechsel und Konkursantrag, von Stellenabbau und Belegschaftsauslagerung zum zentralen Thema seines Films. Der Respekt des Filmemachers vor der hochspezialisierten Arbeitswelt der Werft ist in »Wadans Welt« jeden Augenblick zu spüren, der ein Abgesang wurde auf das, was er gern hätte feiern wollen.
Statt der norwegischen Eigner, die die Werft nach der Wende übernommen hatten, gehörte sie bald einem russischen Investor. Der versprach viel, konnte dann wenig halten und ging bald seinerseits baden. Mittlerweile ist der nächste Russe am Start, für sie alle ist die Werft vor allem Investionsgut. Für die Arbeiter, denen sie Identität war und tägliche Heimstatt, sieht die Zukunft trübe aus. Der Markt für gelernte Schiffbauer wird täglich enger.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/197381.ohnmacht.html