Nicht vielen sind Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt so nahe gekommen wie Bodo Ramelow. 1997, bei einem Prozess gegen den Altnazi Manfred Roeder, saßen die beiden oft im Gericht. Ramelow konnte ihre Blicke im Rücken spüren. So hat es der heutige Linksfraktionschef im Erfurter Landtag kürzlich im Plenum erzählt, als es um die landespolitischen Fehler ging, die zum blutigen Inferno der »Zwickauer Zelle« beigetragen haben.
Diese Fehler scheinen eklatant. Während nämlich das Trio Mundlos, Böhnhard und Beate Zschäpe mit seinen Morden begann, war der rechte Terror mehrfach Thema im Landtag - freilich nur im allgemeinen. Im Thüringer Landes-Verfassungsschutzbericht etwa wurde schon 1995 von entsprechenden Debatten berichtet. Und im Jahr 2000, als Bundeskanzler Gerhard Schröder nach dem Anschlag auf die Düsseldorfer Synagoge den »Aufstand der Anständigen« ausrief, sprach die ganze Republik davon - wenigstens ein paar Wochen.
Der bis heute amtierende Bundes-Verfassungsschutzchef Heinz Fromm warnte vor »Neonazis, die sich auf den bewaffneten Kampf vorbereiten«. Selbst der Berliner Innensenator Eckhart Werthebach - seinerseits jahrelang Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz« - sah damals »Klein- und Kleinstgruppen« auf dem Weg in den Untergrund. Zu dem Zeitpunkt hatte die Mordserie gerade begonnen. Doch während offenbar niemand Verbindung zu dem 1997 untergetauchten Trio herstellte, tauchten die Namen der drei und ihr Umfeld öfter auf, sogar im Erfurter Landesparlament. Allerdings ohne Ergebnis; im Nachhinein lesen sich die Dokumente geradezu peinlich.
Im Herbst 2001 etwa erkundigte sich der PDS-Abgeordnete Steffen Dittes konkret nach dem Trio - im Zusammenhang mit sich häufenden Waffen- und Sprengstofffunden bei Thüringer Neonazis und im Hinblick auf eine terroristische Entwicklung. Immerhin waren laut Innenministerium allein zwischen 1996 und 2001 neun Verfahren wegen »Waffen- und Sprengstoffbesitzes mit rechts-extremem Hintergrund« geführt worden. Doch mit den »Beschuldigten Mundlos, Zschäpe und Böhnhardt« sah man damals keinen Zusammenhang. »Die Fahndungsmaßnahmen dauern an«, hieß es nur.
Diesbezüglich aufschlussreich ist auch die Landtags-Drucksache Nr. 3/1812, eine Anfrage vom Juli 2001. Dittes fragt darin nach den Aktivitäten des Neonazi-Liedermacherduos »Eichenlaub« des Jenaer Neonazis Christian K.. Sein Bruder André galt um die Jahrtausendwende als der führende Neonazi in Jena, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos als seine Stellvertreter. Doch obwohl »Eichenlaub« im Jahr 2000 ein pathetisches Helden-Unterstützerlied (auf die Melodie von »Knocking on Heavens Door«) für die Untergetauchten veröffentlicht und denselben in einem Interview Grüße ausgerichtet hatte, gab es nur die Auskunft, das Duo trete »bei Veranstaltungen der rechten Szene« auf. Ansonsten verbitte man sich Fragen, die »auf die Ausforschung des Kenntnisstands der Sicherheitsbehörden und insbesondere des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz gerichtet sind«. Gab es also einen weitergehenden »Kenntnisstand«?
Noch haarsträubender wird es 1997, im Jahr des Abtauchens des Trios. In diesem Jahr wurde in Thüringen beim »Heimatschutz« in Heilsberg das bisher größte illegale Waffenlager seit dem zweiten Weltkrieg ausgehoben - was an der später enttarnten Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit dem Heimatschutz-Führer Tino Brandt offenbar nichts änderte. Darüber hinaus tauchte bei der Naziformation »Blood and Honour« eine »Todesliste« mit über 100 Thüringer Namen auf. Doch statt einer Antwort erntete die PDS auf Nachfrage eine Unverschämtheit: Das Ministerium schrieb einfach den entsprechenden Absatz aus einem Handbuch ab.
Viel geändert hat sich nicht bis in die jüngere Vergangenheit. Der jüngste Aussetzer ereignete sich erst vor einem Jahr. Sebastian Reiche, derzeit NPD-Landessprecher und spätestens seit 2005 bundesweit als einer der aktuellen Köpfe des »Thüringer Heimatschutzes« sowie Hersteller von Hetzpostillen wie dem »Rennsteigboten« bekannt, bekam vom Land Thüringen »Existenzgründerhilfe« für eine Medienfirma.
Die Vergabestelle hatte vorher beim Verfassungsschutz angefragt; sie wurde erst nach drei Monaten zurückgerufen - mit der Bitte um weitere Informationen. Innen-Staatssekretär Bernhard Rieder (CDU) erklärte daraufhin im Landtag, man prüfe zur Zeit, wieso sich die »Bearbeitungszeit« für die simple Frage so sehr herausgezogen habe, »wie auch einige andere Fragen noch der Klärung bedürfen.« Von dieser Klärung hat man seither nichts mehr gehört. Und inzwischen sind einige Fragen mehr hinzugekommen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/212253.anschnauzen-statt-aufklaeren.html