nd-aktuell.de / 31.12.2011 / Politik / Seite 5

Nichtstun als Methode

Rechtswidrig: Asylbewerber leben von 60 Prozent der Sozialhilfe

Thomas Blum
Für hier lebende Flüchtlinge wird es auch im neuen Jahr keine finanzielle Verbesserung ihrer Situation geben.

Die Regelsätze des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) werden zum 1.1. 2012 nicht erhöht, obgleich das Bundesverfassungsgericht bereits Anfang des vergangenen Jahres in einem Urteil festgestellt hat, dass der Gesetzgeber ein »menschenwürdiges Existenzminimum« zu garantieren und »alle existenznotwendigen Aufwendungen (…) nach dem tatsächlichen Bedarf zu bemessen hat«. Die Bundesregierung selbst hat bereits im November letzten Jahres zugesagt, »die Leistungssätze (…) gemäß den Anforderungen des Urteils« zu »überprüfen«.

»Wir meinen, dass mit dem Urteil die Menschenwürde auf alle in Deutschland lebenden Menschen - dazu gehören auch Flüchtlinge - ausgedehnt wird«, sagte der Obmann im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales, Markus Kurth (Die Grünen).

Seit 1993, also seit Bestehen des Gesetzes, hat sich die Höhe der Leistungen für Asylbewerber nicht verändert, obwohl im Gesetz selbst eine jährliche Anpassung an die Preisentwicklung vorgeschrieben ist. Seit 1993 sind die Preise um 32,5 Prozent gestiegen.

Eigentlich war vorgesehen, dass eine im Sommer dieses Jahres von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) beauftragte »Bund-Länder-Arbeitsgruppe« sich mit der Höhe der Leistungen, die Asylbewerbern zustehen, beschäftigt, sie - wie schon Monate zuvor zugesagt - »überprüft« und gegebenenfalls neu festsetzt.

Herausgekommen ist dabei bislang nichts. Eine Anpassung der Bezüge an die Preisentwicklung wird weiter verschleppt. »Ministerin von der Leyen hat diese Arbeitsgruppe offensichtlich nur als Alibi für das Nichtstun ihres Ministeriums eingesetzt«, kritisiert Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat und wirft der Bundesregierung einen fortwährenden »Verfassungsbruch« vor, der »durch Nichtstun weitergeht«.

Seit das AsylbLG in Kraft trat, erhalten hier lebende Flüchtlinge ein monatliches Taschengeld in Höhe von 40,90 Euro. »Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens« wird es hochtrabend genannt. Hinzu kommen sogenannte Sachleistungen, die einem Wert von 184, 07 Euro entsprechen sollen. Rechnet man das »Taschengeld« und den angeblichen Wert der »Sachleistungen« zusammen, ergibt sich eine Summe von 224,97 Euro im Monat. Asylbewerber erhalten also um 40 Prozent geringere Bezüge als Sozialhilfeempfänger. Leben kann man davon nicht, sterben auch nicht. Der Sozialhilfesatz (»Hartz IV«) beträgt ab 1. Januar nächsten Jahres 374 Euro. »Die Höhe der Leistungen reicht nicht für ein menschenwürdiges Existenzminimum«, kritisiert etwa auch Barbara Cárdenas, die migrationspolitische Sprecherin der LINKEN im hessischen Landtag. LINKE und Grüne fordern bereits seit Jahren die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, das in Deutschland lebende Flüchtlinge ohne ersichtlichen Grund einem speziellen Recht unterstellt, das für sie eine weit schlechtere Behandlung vorsieht als für Bundesbürger.