nd-aktuell.de / 10.02.2012 / Politik / Seite 4

Wachhund

Gerhard Ludwig Müller könnte neuer Chef der römischen Glaubenskongregation werden

Velten Schäfer

In der Parallelwelt des organisierten Katholizismus stehen die Zeichen gerade auf Alarm: Beginnend in Österreich gewinnt unter den kleinen Geistlichen eine »Pfarrer-Initiative« an Zuspruch. Der Zusammenschluss erhebt gemäßigte Forderungen nach mehr Mitsprache, besser definierten Arbeitsumfängen und Milde gegenüber Homosexuellen. Die von Oberösterreich aus wachsende Gruppe möchte die Kirche nach all den Skandalen mit neuer Glaubwürdigkeit vertreten.

Für den konservativen Klerus ist das Provokation genug. In Österreich raunen die Ultras ernsthaft von einem neuen »Martin Luther«, in Deutschland droht vor allem der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller den Unbotmäßigen mit dem Bannstrahl: Die »sogenannte Pfarrer-Initiative« stelle sich »in Fragen der Lehre und des Pastorats über den Glauben der Kirche«, donnerte er vor wenigen Tagen, dies sei »ganz und gar unchristlich«.

Ein deutscher Bischof sei für sie nicht zuständig, konterte die Priester-Bewegung. Doch das könnte sich nun ändern. Müller ist ein heißer Kandidat für den Posten des Chefs der Glaubenskongregation, dem Siegelbewahrer und Interpreten der göttlichen Wahrheit und Nachfolger der Großinquisitoren. Mit dem Wachhund Müller würde Papst Benedikt sicherstellen, dass das Glaubensgericht auf dem strammen Rechtskurs bleibt, auf den er es selbst als langjähriger Vorsitzender getrimmt hat. Und zwar für lange Zeit: Müller ist erst 64 und wirkt vital.

Überraschend wäre die Personalie nicht. Müller ist in seinem Geist der vermeintlich rechtgläubigen Flucht vor der Welt schon lange ein Wegefährte des amtierenden Papstes. Er habilitierte sich mit einer Arbeit über Heiligenverehrung und erwarb sich nicht erst als Regensburger Bischof, sondern bereits als Dogmatikprofessor den Ruf, jeglichen Reformbestrebungen entgegenzutreten.

Für die aufmüpfigen Pfarrer verheißt das nichts Gutes. Anders als vor einigen Jahrhunderten darf der Inquisitor zwar nicht mehr foltern. Doch die Unannehmlichkeiten, die Müller den Reformpriestern auch heute noch machen kann und wohl machen wird, sind auch so gravierend genug.