nd-aktuell.de / 14.06.2012 / Politik / Seite 2

Zurück zur Natur

»Apollonafrauen« helfen sich selbst

Michael Müller

Die Preise in Griechenland sind etwa auf deutschem Niveau, die Lebenshaltungskosten angesichts der im Schnitt um 30 Prozent niedrigeren Einkommen gravierend höher. Der Liter Super kostet zwei Euro. Selbst die Gemüse- und Obstpreise in den Supermärkten des originären Agarproduzenten Griechenland liegen meistens über denen deutscher Handelsketten. Tomaten je Kilo 2,20, Äpfel 2,50, Kartoffeln 1,50. Dies bei einer offiziellen Arbeitslosigkeit von 22 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres (EU-Durchschnitt elf Prozent) und bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 48 Prozent.

So wirkt das »Spardiktat« von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds im Alltag. Eine der jüngsten Auflagen: 1,1 Milliarden Euro sollen 2012 bei den Ausgaben für Medikamente gestrichen werden. Beim Militärbudget übrigens nur 300 Millionen ...

»Dennoch, wir wollen die Drachme nicht zurück, und dennoch wollen wir in der EU bleiben. Aber wir wollen Gerechtigkeit. Unser Land braucht Hilfe zur Selbsthilfe«, sagt Erine Platzi (Foto, l.) im Gebirgsdörfchen Apollona auf Rhodos. »Wir praktizieren das hier übrigens schon mal im Kleinen.«

Ein Dutzend Dorffrauen hat sich zur Agrarkooperation »Appolonafrauen« zusammengeschlossen. »Wir machen einfach das für den Markt, was wir einst von unseren Müttern und Großmüttern gelernt haben: Konfitüren und Gewürzmischungen, Olivenöl, Hefebrot. Und natürlich Melekouni (Sesam-Honig-Plätzchen - d.R.).« 8000 Euro Gewinn nach Steuern kamen im Vorjahr heraus. »Ein guter Zuschuss für die Familienkasse«, meinen die Frauen. »Vor allem selbst verdientes Geld«, fügen sie selbstbewusst hinzu.

Ein ähnliches Auskommen auf dem Dorf suchen inzwischen immer mehr junge Leute, die in den Städten keine Perspektive sehen. Die Zahl von über einer Million in den letzten zehn Jahren wird öffentlich häufig zitiert. »Die kommen in die Dörfer zurück, die sie nur von Ferienbesuchen bei Oma und Opa kannten, und versuchen sich mit Granatäpfeln und Oliven und vielem anderen«, erzählen die »Apollonafrauen«, die sie »hier mit Kusshand« und nicht als Konkurrenz begrüßen. »Zurück zur Natur. Denn was anderes bleibt uns noch? Vielleicht ist das ja das moderne Griechenland.«