nd-aktuell.de / 29.06.2012 / Sport / Seite 19

Sehnsucht nach dem Spiel

Jirka Grahl. Der nd-Sportchef berichtet von der EM aus Polen und der Ukraine.
Jirka Grahl. Der nd-Sportchef berichtet von der EM aus Polen und der Ukraine.

Nach fast vier Wochen Ukraine vermisst man so vieles: die Frau natürlich, die Kinder auch, logisch, und - man weiß ja, wer das hier alles so liest - selbstredend auch die lieben Kollegen. Was mir aber besonders fehlt: Fußball. Ja, ich war bei einigen der 30 EM-Spiele dabei, auf Nummer 31 freue ich mich besonders, aber ich habe derweil immer mitgezählt: Seit genau 33 Tagen habe ich nicht mehr selbst gespielt. Jeden Montag kicken mit den Kumpels, das fehlt mir. Wie passend war es da, dass wir am letzten Montag zum Kicken verabredet waren. Mit zwei Afrikanern, die ein Kollege am Dnjepr-Strand kennengelernt hatte.

Wir warteten im Schewtschenko-Park auf die Jungs aus Nigeria, und ich fand's besonders passend, dass meine Freunde daheim zur selben Zeit ihr Punktspiel in der Medienliga hatten. Wie Fußball doch alles verbindet.

Wir warteten. Und warteten. Und warteten. Zwei Stunden und ein Dutzend Telefonate später war klar, der Kick fällt aus. Henry (21) und Austin (24) waren in der anderen Ecke der Stadt gelandet. Sie kamen schließlich in der Dunkelheit noch bei uns an, aber vom Fußballspielen war nicht mehr die Rede, stattdessen aber von Missverständnissen: Die beiden sind auf Jobsuche in Europa und dachten, deutsche Sportjournalisten könnten vielleicht mit Kontakten behilflich sein? Wir mussten verneinen: Nee, Jungs, so läuft das nicht.

»Aber wieso nicht«, fragte Austin, der Ältere. Er war Verteidiger bei einem Erstligaklub in Nigeria, der pleite gegangen ist, Bruder Henry war Stürmer in Liga zwei. Jetzt wohnen sie mit 20 Landsleuten in Kiew: »Unser Manager bezahlt Wohnung und Essen.« Der Manager soll auch die Jobsuche befördern, doch bisher hat noch kein Vorspiel bei Arsenal, Obolon oder gar Dynamo Kiew stattgefunden. »Wir halten uns am Strand fit«, erzählte Austin, »manchmal spielen wir mit Ukrainern.« Die würden aber zu schnell aufgeben. »Und wie gut seid ihr, welche Liga spielt ihr?« »So in etwa zehnte Liga«, antwortete ich. Alle lachten. Ein jeder für sich froh darüber, dass dieser Kick ausgefallen war.