Aus Sicht der Opposition steht die V-Mann-Affäre in Berlin erst am Anfang. Bereits am Donnerstag will sich aller Wahrscheinlichkeit nach das Abgeordnetenhaus mit den umstrittenen Vorgängen um den NSU-Unterstützer Thomas S. beschäftigen, der zwischen Ende 2000 und Anfang 2011 als V-Mann des Berliner LKA geführt wurde.
Die oppositionelle Linkspartei ist überdies derzeit dabei, einen Fragenkatalog an Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) zum Fall der »VP 562«, wie S. beim LKA hieß, zu formulieren. Was genau in den Akten zum V-Mann steht, darüber dürfen die Abgeordneten nicht sprechen. »Es ist absurd«, klagt der Fraktionschef der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf: »Es steht alles in der Zeitung, die Parlamentarier dürfen jedoch nicht diskutieren, was berichtet wird, weil es weiter unter Geheimschutz steht.«
Wolf bereitet aus diesem Grund auch einen zweiten, vertraulichen Fragenkatalog vor. »Zumindest die Teile der V-Mann-Akten, die bereits in der Zeitung standen, sollten von der Innenbehörde offengelegt werden«, appellierte Wolf. Schließlich sei es nur nach einer Offenlegung möglich, die eigentliche Diskussion zum V-Mann S. zu führen, der jahrelang eine zentrale Figur der neonazistischen Szene Ostdeutschlands war und auch dem NSU-Trio um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe nahe stand. Mit Zschäpe war S. zeitweise liiert, gegenüber einer Zeitung hatte S. erst am vergangenen Wochenende eingeräumt, das Trio Mitte der Neunziger Jahren mit einem Kilogramm Sprengstoff beliefert zu haben. Im Zentrum dieser Debatte steht auch die Frage, ob ein Hinweis von S. aus dem Jahr 2002 auf Jan W., der drei wegen »Waffen- und Sprengstoffbesitz« Gesuchte kenne, von den Berliner Behörden nicht nachgegangen wurde. Denn diese Spur hätte zum NSU führen können.
Während also die Kerndiskussion zu dem einschlägig vorbestraften V-Mann des LKA und dessen Vernetzung in die Szene von Rechtsrockproduzenten, Kameradschaften und rechtsterroristischen Gruppen noch aussteht, geraten Innensenator Frank Henkel und seine Polizeichefin Margarete Koppers weiter unter Druck. Der »Spiegel« veröffentlichte noch am Montagabend einen sechsseitigen Brief von Koppers an die Bundesanwaltschaft. Das Schreiben vom 3. April dieses Jahres steht im eklatanten Widerspruch zu bisherigen offiziellen Verlautbarungen der Berliner Innenbehörden, nach denen die Akten zum V-Mann S. im Frühjahr dieses Jahres auf Bitten der Generalbundesanwaltschaft nicht an den Bundestagsuntersuchungsausschuss weitergeleitet worden seien, um laufende Ermittlungen nicht zu vereiteln.
»Henkel hat in dieser Sache ganz klar die Unwahrheit gesagt«, kritisierte gestern der Berliner Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux im RBB. Die Grünen fordern deshalb nicht nur die Offenlegung der V-Mann-Akten, sondern auch des Briefwechsels zwischen Polizeibehörde und Bundesanwaltschaft, um den Vorgang nachzuvollziehen.