nd-aktuell.de / 31.07.2001 / Politik
Wechsel an der Spitze der Rathausverwaltung
Der Bürgermeister aus DDR-Zeiten wurde diesmal von einer großen Mehrheit gewählt
Uschi Lenk, ddp
PDS-Politiker als Bürgermeister sind nicht Neues mehr in ostdeutschen Rathäusern. In Werdau schaffte allerdings der PDS-Bewerber eine Überraschung, als er bei den Wahlen zu Sommeranfang den Amtsinhaber klar distanzierte.
Ein Rundgang durch alle Abteilungen der Stadtverwaltung wird die erste Amtshandlung von Volkmar Dittrich sein, wenn er am Mittwoch seinen Dienst als neuer Oberbürgermeister von Werdau antritt. Eine Ankündigung, die im Rathaus der westsächsischen Kreisstadt Erstaunen ausgelöst hat. So etwas seien die Beschäftigten offenbar nicht gewohnt, vermutet der PDS-Politiker.
Der hatte bei der Wahl im Juni die absolute Mehrheit nur um Weniges verfehlt, vereinte im zweiten Anlauf 63,3 Prozent der Stimmen auf sich und deklassierte damit seinen Kontrahenten und bisherigen Amtsinhaber Bernd Gerber (Freie Wähler). Im Stadtrat stellt die CDU die größte Fraktion, die PDS ist hier zweitstärkste Kraft, die SPD und die Freie Wählergemeinschaft liegen, nach Abgeordneten gerechnet, gemeinsam auf dem dritten Platz. Der persönliche Kontakt zu den Mitarbeitern sei »die halbe Miete« für ein konstruktives Miteinander, betont der 61-jährige Dittrich. Im Interesse der Bürger natürlich. Ihnen zu Diensten zu sein, sieht Dittrich als wichtigste Aufgabe einer Stadtverwaltung, deren Bedienstete sich oftmals hinter Gesetzen und Verordnungen verschanzten. Er erwartet Mitdenken und selbstständiges Arbeiten.
Versammlung mit gesamter Belegschaft
Seine Vorstellungen davon will er nur wenige Tage nach Amtsantritt auf einer Versammlung der gesamten Belegschaft darlegen. Allerdings sei er nicht angetreten, das Rathaus komplett umzukrempeln. Die meisten seiner Mitstreiter kennt der Bauingenieur ohnehin bereits und weiß, »dass ich da viel Unterstützung habe«. Schließlich sitzt er seit 1994 als Fraktionsvorsitzender der PDS im Stadtrat der rund 26300 Einwohner zählenden Kommune im Kreis Zwickauer Land. Von Werdau aus sind es nur zwölf Kilometer bis zu Sachsens Landesgrenze an Thüringen.
1994 hatte Dittrich schon einmal für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert, wurde von Gerber nur ganz knapp geschlagen. Dittrich führt das auf die Situation in der Nachwendezeit zurück, in der ideologische Ressentiments dominierten. Immerhin war der im erzgebirgischen Seiffen Geborene 24 Jahre lang Stadtbaudirektor, in den späten 80ern auch zwei Jahre lang Bürgermeister der Stadt und zwischen 1965 und 1990 Abgeordneter. Und natürlich Mitglied der SED. »Inzwischen haben die Menschen nicht nur ihre Illusionen verloren und ihr Selbstbewusstsein wiedergefunden.«
Auch in der politischen Arbeit habe sich die Situation gewandelt und die Sachkenntnis wieder die Oberhand gewonnen, konstatiert der zweifache Vater und dreifache Großvater die Entwicklung. Mit ihrem deutlichen Votum hätten die Wähler honoriert, dass »ich meiner Auffassung treu geblieben bin. Einen Parteienwechsel hätten mir die Werdauer sicher nicht verziehen. Für sie bin ich durch meine Beständigkeit glaubhaft«, ist der neue Chef im Werdauer Rathaus sicher.
Leicht werden die sieben Jahre nicht, die jetzt vor Volkmar Dittrich liegen. »Da habe ich auch keine Illusionen gehabt.« Eines der ersten Probleme, das er angehen muss, ist eine interne Beratung des Haushaltes für 2002. Zwar konnte die westsächsische Kommune ihre Verschuldung in den zurückliegenden Jahren »permanent« senken, so dass nicht die Gefahr einer Sperre besteht. Allerdings werden die Schlüsselzuweisungen des Landes Sachsen wie die Steuereinnahmen um einiges geringer ausfallen. »Deshalb müssen wir uns Gedanken machen, wie wir trotzdem alle Aufgaben unter einen Hut bringen können.« Auch die so genannten freiwilligen Leistungen, betont der ehemalige aktive Fußballer und bis heute in etlichen Ehrenämtern Tätige.
Abschied vom Ingenieurbüro
Doch auch einige größere »Brocken« warten auf ihn. Der Bau des Stadtbades und einer neuen Brücke etwa, vor allem jedoch der einer Umgehungsstraße. Um die Innenstadt zu entlasten, vor allem aber, um eine schnelle Anbindung an Autobahnen und Bundesstraßen zu schaffen und damit die Voraussetzungen für weitere Gewerbeansiedlungen. Da seien noch viele bürokratische Hürden zu nehmen. Sein eigenes Ingenieurbüro, das Volker Dittrich gemeinsam mit seiner kaufmännisch tätigen Frau vor knapp zehn Jahren gegründet hat, wird zu seinem Amtsantritt als Oberbürgermeister nicht mehr existieren. »Ich habe zwar nie nach der Rente geschielt und spüre noch keine Verschleißerscheinungen«, aber nach dieser Wahlperiode sei er 68 Jahre und dann könne man den Ruhestand schon mal ins Auge fassen.
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