nd-aktuell.de / 09.04.2003 / Ratgeber
Wenn es um Kinder geht, ist besondere Vorsicht geboten
Wer die häufige Benutzung eines Nachbargrundstücks durch fußballspielende Kinder duldet, darf seinen Gartenzaun nicht mit spitzen Enden versehen, die die Kleinen beim Überklettern des Zaunes gefährden können. Sonst muss er für etwaige Unfälle haften. Das hat das Landgericht Tübingen entschieden.
Wie der Anwalt-Suchservice berichtet, hatte ein sechsjähriger Junge mit seinen Freunden auf einem Bolzplatz, der an einen Kindergarten grenzte, Fußball gespielt. Das Gelände des Hortes war mit einem 1,70 Meter hohen Zaun umgeben, der oben mit zwei bis fünf Zentimeter langen, scharfen Metallspitzen abschloss. Als eines der Kinder das Leder versehentlich über den Zaun schoss, wollte der Sechsjährige den Ball vom Kindergartengelände zurückholen. Bei dem Versuch, über den Zaun zu klettern, rutschte er ab und fiel in die spitzen Metallstreben. Der kleine Junge zog sich schwere Verletzungen zu. Er musste mehrere Tage im Krankenhaus behandelt werden und konnte sechs Wochen lang nicht in die Schule gehen.
Die Eltern des Kindes verklagten den Kindergartenbetreiber auf Schmerzensgeld. Er habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und müsse dafür haften. Der wiegelte jedoch ab und erklärte, der Junge habe sein Gelände unbefugt betreten wollen und könne deshalb keinerlei Ansprüche stellen. Das LG Tübingen (Az.: 7 O 143/01) entschied wie folgt: Grundstückseigentümer seien normalerweise nur solchen Personen gegenüber verkehrssicherungspflichtig, die sich befugt auf ihrem Grund und Boden aufhielten. Speziell bei Kindern könnten aber auch bei unberechtigtem Betreten eines Grundstücks Schutzpflichten bestehen. Aus Spieltrieb, Unerfahrenheit und Leichtsinn seien Kinder oft nicht in der Lage, Gefahren zutreffend einzuschätzen. Zudem neigten sie dazu, Verbote zu missachten. Wer ein Grundstück besitze, bei dem verstärkt mit einem unbefugten Betreten durch Kinder zu rechnen sei, müsse deshalb besondere Schutzvorkehrungen treffen.
Im zu entscheidenden Fall habe der Kindergartenbetreiber gewusst, dass auf dem angrenzenden Bolzplatz häufig Fußball gespielt wurde. Für ihn sei daher voraussehbar gewesen, dass ein Ball in das umzäunte Gelände fallen und Kinder sich bei dem Versuch, ihn zurückzuholen, an dem gefährlichen Zaun verletzen könnten. Deshalb hätte er die scharfen Metallspitzen beseitigen müssen. Dies habe der Grundstückseigentümer versäumt und damit seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Er müsse dem verunglückten Jungen daher haften. Die Richter verurteilten ihn zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 3600 Euro.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/33753.wenn-es-um-kinder-geht-ist-besondere-vorsicht-geboten.html