nd-aktuell.de / 06.01.1992 / Sport / Seite 11

Aussichtslos im letzten Drittel

WOLFGANG RICHTER

Das erste Wochenende im neuen Jahr: Zahlreiche Freunde des Sports haben auf eine über viele Jahre liebgewonnene Gewohnheit verzichten müssen. Mit dem DFF wurde auch „Sport aktuell“ das Licht ausgeknipst. Über 39 Jahre erfreuten sich die Sportsendungen mit ihren vielen Live-Reportagen, die es; in ihrer Ausführlichkeit nicht mehr geben wird, stets hoher Einschaltquoten. Die Stimmen hatten Gesicht, die Namen den Bekänntheitsgrad etwa der Nachrichtensprecher. Viele Übertragungen wurden zum Erlebnis durch die Spezifik der Schilderung: sachlich und zurückhaltend, emotional und temperamentvoll, improvisant und unterhaltend. Alle, die wir im Laufe der Jahre auf dem Bildschirm oder am Mikrophon kennengelernt haben, ließen sich in diese oder ähnliche Kategorien einordnen. Zur Freude und manchmal auch zum Ärger des Zuschauers.

Wie dem auch sei - nur ganz wenigen wird man via Bildschirm wieder begegnen. Die Chefs der Sportabteilungen in den neuen Sendern äußerten sich an der Grenze von zurückhaltend bis gar

nicht zur Mitarbeit der einstigen „Sport aktuell“-Kollegen.

Einen festen Job von den zuletzt 32 Beschäftigten in der Adlershof er Sportabteilung (Ende 1989 waren es noch 108) haben lediglich der letzte amtierende Chefredakteur Klaus Anders als Stellvertreter des Sportchefs im MDR und Gottfried Weise beim Sportkanal in London. Peter Woydt (Eurosport) und Eckhard Herholz (ZDF) haben sogenannte Festfrei-Anstellungen. Schon vorher waren Wilfried Hark bei N 3 und Konstantin Sauer bei Radio Bremen untergekommen.

Gerhard Kohse arbeitet freischaffend im norddeutschen Raum, Heinz-Florian Oertel (war angestellt beim Berliner Rundfunk) und Uwe Grandel haben den gleichen Status in Berlin und beim MDR. Sybille Künstler ist ebenso arbeitslos wie Wolfhard Kupfer oder Bodo Boeck, Harry Schulz ist Frührentner, Werner Preiß war schon vorher in Rente gegangen. Arbeitslos sind auch alle Mitarbeiter, die als Regisseure in der Sportredaktion tätig waren, wie Helmut Gerhard, Eberhard Otto, Ullrich Trettin. Die Ausnahme bildet Heinz Ortner, der von der EBU für die Übertragung

der Olympiawettbewerbe im Turnen in Barcelona verpflichtet wurde.

Eine Reihe der Kollegen arbeitete seit längerer Zeit schon in den verschiedenen Landessendern. Von ihnen sind Ullrich Jansch und Dirk Thiele (beide Potsdam) arbeitslos, Ulf-Dieter Hesse (Rostock) und Achim Schröter (Halle) werden freischaffend tätig sein. Dagegen hat Almut Risse in Dresden (MDR) eine Festanstellung. Die auch durch das Fernsehen bekannt gewordenen Rundfunk-Reporter Hubert Knobloch und Thomas Schwarz (zuletzt Leipzig) sind arbeitslos, während ihr Kollege Klaus-Jürgen Alde eine Festanstellung beim MDR (Radio) erhielt. Werner Eberhard und Marian Homrighausen retteten sich in die Rente, und ihr Erfurter Mitstreiter Wolfgang Hempel, „Doc“ genannt, betreut den Thüringer Sport freischaffend für den MDR. Vom humorigen Doc, der ein ebenso exzellenter Fußball- wie Eishockeyreporter ist, stammt der auf das Lebensalter bezogene Satz: „Wir spielen im letzten Drittel!“ Bleibt hinzuzufügen: aussichtslos in Rückstand liegend