Der Dortmunder Pastor Arnold Haumann ist ein Zeitzeuge des Kalten Krieges. Er hat jetzt mit seinem Buch „Gott mit uns?“ (in Anlehnung an das Koppelschloß der Nazi-Wehrmacht) einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte der BRD geleistet. Glückliche Zeitwahl: Seine Beurteilung der Wiederaufrüstungspolitik Adenauers erschien zum 40. Jahrestag der größten Jugenddemonstration gegen Wehrpflicht und Remilitarisierung.
Der Autor gilt mit Recht als einer der führenden Aktivisten des Kampfes gegen die Remilitarisierung und damit gegen die Festschreibung der Spaltung Deutschlands. Er war vom Präsidium der „Darmstädter Aktionsgruppen“ mit der Organisierung und Leitung der Jugendkarawane nach Essen beauftragt. Er beweist, daß es sich bei der Bewegung gegen die Remilitarisierung um ein großes Bündnis von Christen, Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaftern handelte und keinesfalls um eine von Kommunisten gesteuerte Aktion. Haumann, mehrfach inhaftiert, bekennt sich auch heute zur Notwendigkeit, Kommunisten, die im Kampf gegen den Faschismus und Krieg große Opfer gebracht hatten, in das Ringen um ein friedliches, entmilitarisiertes Deutschland einzubeziehen. Mit seinem Buch setzt er all jenen ein Denkmal, die trotz Verfolgung, Inhaftierung und Benachteiligung den Kampf gegen das Wettrüsten in Deutschland führten, und ermutigt Jüngere, eigenständig zu denken und zu handeln.
Haumann, einst führend in der Gesamtdeutschen Volkspartei eines Heinemann, Rau und Eppler, bringt Persönlichkeiten in Erinnerung, die sich dem Beginn des Kalten Krieges und der Spaltung
Arnold Haumann: „Gott mit uns“? - Zwischen Weltkrieg und Wende. Widerspruch eines politisch engagierten Theologen. Pahl-Rugenstein Verlag Nachf., Bonn 1992. 270 S., geb., 28 DM.
Deutschlands widersetzten. So Gustav Heinemann, der sein Ministeramt in der Regierung Adenauer quittierte, nachdem dieser, ohne zu prüfen und zu diskutieren, die Note der UdSSR mit dem Angebot eines neutralen Gesamtdeutschlands einfach dem Papierkorb übergab.
In der Beurteilung der damaligen Kräfte spart Haumann nicht an Kritik. Er verschont weder Kommunisten noch Sozialdemokraten und schon gar nicht die damaligen Machthaber in Ostberlin. Lebhaft schildert er das Zusammentreffen mit der damaligen Führung der FDJ und mit Erich Honecker und seine spätere Zusammenarbeit mit Gustav Heinemann und Diether Posser (Autor des ebenfalls diese Zeit behandelnden Buches „Anwalt im Kalten Krieg“) in der Gesamtdeutschen Volkspartei. Der Pastor gehört nicht zu jenen Theologen und Bürgerbewegten, die nach der Wiedervereinigung nur den Kalten Krieg der einen Seite bewerten und einen Schlußstrich unter die eigene Vergangenheit ziehen.
Sein Engagement, das er erneut am 9. Mai, vierzig Jahre nach der Ermordung Philipp Müllers in Essen, mit einer Rede gegen die Militärpolitik der neuen Bundesrepublik vor rund 2000 Demonstranten unter Beweis stellte, ist für jene politischen Kräfte in den neuen Bundesländern eine Ohrfeige, die nicht schnell genug den Namen Philipp Müllers an Straßen, Schulen und Jugendheimen abwischen konnten.
LIESEL BUDER
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/361497.opfer-des-kalten-krieges.html