Superlative lassen sich nicht steigern, ich weiß. Aber wenn zwei Künstler, die über Jahrzehnte weltweit ein Millionenpublikum begeistern, ein Konzert geben, dann ist man schon versucht, nach dem Super-Superlativ zu suchen, den es eigentlich nicht gibt. Joe Cocker und Eric Clapton spielten in der Waldbühne, und es war das Rockereignis des Jahres, wie es wohl alle Fans erträumten. Beide zauberten mit der Musik.
Es ist unglaublich, wie es Joe Cocker, der mit seinen Mannen gewissermaßen als Vorband bei Clapton auftrat, immer wieder gelingt, sein intensives Gefühl mit sanft papierner Stimme auf die Zuschauer zu übertragen. Er hat „With A Little Help From My Friends“ tausende Male gesungen, doch das Lied berührt stets aufs neue, so als hätte man es von Cocker in dem Moment zum ersten Male gehört. Bei „Up Where We Belong“ schmilzt er dahin. Die leicht kitschige Stimmung fängt er jedoch durch Gospelklänge ab. Seine Blues- und Soulinterpretationen greifen ineinander, verschmelzen miteinander.
Ähnliches gilt auch für Eric Clapton. Vor 15 Jahren hatte er zum letzten Mal in Berlin gespielt. Bringt Cocker mit seiner Stimme die Seele der Zuhörer zum Vibrieren, macht es Clapton mit der Gi-
tarre. Auf der Waldbühne ließ er seine Karriere ein bißchen Revue passieren. Doch nicht einfach durch die Aneinanderreihung von Hits - er vollzog Phasen seiner musikalischen Entwicklung nach. In weiten Teilen seines Konzerts brillierte er mit Improvisationen wie einst zu Zeiten der Superband Cream. Oft hatte man den Eindruck, Clapton spiele nur für sich. Er war tief in seine Musik versunken und zog das Publikum mit in diesen Strudel. Er hatte es nicht nötig, die Pose eines Besessenen einzunehmen, wie es ja bei einigen Gitarrenheroen zum guten Ton gehört. Ab
und an machte er auch die Bandmitglieder zu Solisten, so daß einige Stücke Sessioncharakter annahmen.
Am überzeugendsten war Clapton für mich, wenn er sein Gitarrenspiel in den Dienst ganz einfacher Blues- und Folkrock-Stücke stellte. Da schien dann seine Musik über der Bühne zu schweben. „I Shot The Sheriff“, ein Superhit des Reggae, den Clapton weich und federnd spielte. Keines der großen Lieder, ob bei Cocker oder Clapton, wirkten abgenudelt, aus jedem Stück kitzelten sie wieder die Seele heraus.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/363369.zwei-rock-legenden-begeisterten.html