nd-aktuell.de / 14.06.2003 / Reise

Wallensteins letzter »Auftritt«

Reisen auf historischen Spuren (15) / Im Pachelbel-Haus von Eger wurde der kaiserliche Generalissimus ermordet

Klaus Haupt
Wallensteins Pferd sieht der Besucher zuerst; gestriegelt und ausgestopft steht es da. Von feindlicher Kugel war es hingestreckt worden auf dem Schlachtfeld von Lützen im November 1632. Mit dem Rest seiner Getreuen - und auch den Verrätern, von denen er noch nichts ahnte - hatte der Herzog von Friedland, Albrecht Eusebius Wenzel von Wallenstein (1583-1634), in der einstigen freien Reichsstadt Eger (tschechischer Name Cheb) im Pachelbel-Haus Quartier bezogen. Am 24. Februar 1634, in der fünften Stunde des Nachmittags, war er eingetroffen. Mit tausend Söldnern und hunderttausend Gulden war er aus Pilsen, wohin er sich nach Lützen zurückziehen musste und sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, regelrecht geflohen. Das Heer, so war ihm bewusst geworden, würde ihn bei seinen Auseinandersetzungen mit dem Kaiser in Wien im Stich lassen.
In Eger glaubte er sich sicher. Oberst John Gordon, ein Schotte, befehligte die Garnison der Stadt mit einem Regiment des Grafen Adam Terzka. Und der kaiserliche General Terzka, Wallensteins Schwager, dem insgesamt acht Regimenter unterstanden, hielt fest zum Herzog von Friedland. Inzwischen aber hatte sich ein Oberst Butler, Ire von Geburt, der sich mit seinem Dragonerregiment Wallenstein auf dem Wege von Pilsen (Plzen) nach Eger angeschlossen hatte, aufs Schloss begeben. Und nun hat Friedrich Schiller das Wort: Vierter Aufzug, Zweiter Auftritt in »Wallensteins Tod«:

Butler: Er darf nicht leben.
Gordon: Ihr vermöchtet's?
Butler: Ihr oder ich. Er sah den letzten Morgen.
Gordon: Ermorden wollt Ihr ihn?
Butler: Das ist mein Vorsatz.

Und Butler führte den Vorsatz aus. Längst war er auf die Seite von Ferdi-
nand II. gewechselt, der Wallenstein per Dekret vom 24. Januar abgesetzt hatte und mit geheimer Order forderte, den Generalissimus »lebendig oder tot« herbeizuschaffen. Zu später Abendstunde schickte Butler Hauptmann Devereux, einen Engländer, mit sechs Dragonern ins Pachelbel-Haus. Sie drangen vor ins unbewachte Schlafgemach, und der Hauptmann durchbohrte ihn mit einer Partisane. Gleich darauf rollten sie den Mann, vor dem einst Europa erzitterte, in den vom Blut durchtränkten Teppich und schleppten ihn aufs Schloss. Das war, gewissermaßen, Wallensteins letzter Auftritt. Es geschah am 25. Februar, in der Nacht vor dem Faschingssonntag des Jahres 1634.
»Das ist das Wallenstein-Zimmer«, erklärt Pani Fucíková, die Museumsführerin, nachdem wir aus dem Raum mit dem Pferd die obere Etage des Museums erreicht haben. Da ist die Partisane, daneben eine Geldtruhe. Dann aus Wallensteins Besitz ein breiter Spitzenkragen, die Stiefel, der Degen, die Sporen. Ferner Schlachtszenen des 30-jährigen Krieges, Porträts des Feldherren sowie Grafiken und Gemälde von Künstlern des 17. und 18. Jahrhunderts, die alle das eine Thema behandelnd: die Ermordung Wallensteins.
»Geschah es in diesem Zimmer?« Es könne auch im Nebenzimmer gewesen sein, lautet die Antwort der Museumsführerin. Jener Raum werde jedoch als Depositenraum genutzt. Doch soll er bald renoviert und in historischen Zustand versetzt werden. Versehen auch mit dem restaurierten Bett - in einem Videofilm des Museums ist es zu sehen -, in dem Wallenstein nur eine Nacht ruhte. Dann wird wohl auch die Frage endgültig beantwortet werden, in welchem Raum der Generalissimus tatsächlich ermordet worden ist.
Das Pachelbel-Haus, eines der ältesten Patrizierhäuser der Stadt - die 1322 den tschechischen Namen Cheb erhalten hat - befindet sich am unteren Ende des weiträumigen Marktplatzes. Wenn man durchs Tor wieder hinaus schreitet, stößt man nach wenigen Schritten direkt gegenüber auf die Krämergasse. Sie führt, an ihrer schmalsten Stelle nicht viel breiter als einen Meter, durch ein Ensemble von elf mittelalterlichen Häusern. Engbrüstig und hoch aufgeschossen sind sie, fünf auf der einen, sechs auf der anderen Seite: Das berühmte Stöckel (Spalícek), ein einzigartiges architektonisches Denkmal.
Der leicht ansteigende Marktplatz ist mit Jahrhunderte alten Häusern bebaut, restauriert in leuchtenden Farben. Wunderbar anzuschauen Tore, Simse, Hauszeichen, Giebel, Schmuckwerk. Ein jedes Haus prall gefüllt mit Geschichte und Geschichten. In der Nummer 17, direkt neben dem Neuen Rathaus, hat im Jahre 1791 - für die Recherchen zur Wallenstein-Trilogie - Friedrich Schiller gewohnt. Und obwohl im Laufe der Jahrhunderte zuvor schon Kaiser, Könige und Fürsten Quartier genommen hatten, es ist das Schillerhaus. Nebenan, im Haus Nr. 18, hatte sich in den Jahren 1625, 1630 und 1632 Wallenstein einquartiert. Aber da standen die Sterne ihm noch günstig.
Und für mich steht nun ein Fensterplatz im oberen Stockwerk des Cafés im Spalícek bereit. Dort gibt es einen köstlich gezimteten böhmischen Apfelstrudel - und einen wunderbaren Blick auf den weiten Marktplatz von Cheb.


Informationen: Tourist-Information Eger, Námesti Krále Jirího z Podebrad 33, 350 02 Cheb. Tel. (00420) 354-422705, Fax (00420) 354-434385; E-mail: infocentrumacheb-etc.cz, Internet: www.mesto cheb.cz.
Öffnungszeiten des Museums (jahreszeitlich gestaffelt) von 9 bis 12 Uhr, 13 bis 16/ 18 Uhr; Juli/August auch montags.