Irmhild Drechsler, geschieden, ist Mutter von neun Kindern. „Ich möchte keines missen“, betont sie. Der jüngste ist noch im Krippenalter, 1989 geboren. „Ob er wohl wäre, wenn die sogenannte Wende einige Monate eher gekommen wäre?“, fragt sie sich heute. Sie war Jahre in der Landwirtschaft leitend tätig, nach Ablauf des letzten Babyjahrs wurde sie nicht mehr eingestellt. Doch sie hatte Glück, aufgrund ihrer engagierten Mitarbeit im Arbeitslosenverband bekam sie schließlich eine ABM-Stelle. Was sie machen wird, wenn das Jahr vorbei ist, weiß sie nicht. Sicher ist, daß ihr Arbeitslosengeld mager ausfallen wird, da die Babyjahre nach bundesdeutschem Gesetz nicht angerechnet werden. Ob sie, Mittvierzigerin und alleinerziehend, irgendwo wieder eine feste Anstellung finden wird? Frauen mit Kindern, vor allem alleinstehende - dies betraf in der DDR 60 Prozent - gelten auf vielen Arbeitsämtern bereits als „nicht vermittlungsfähig“, konstatiert der Demokratische Frauenbund e.V in seinem „Rundbrief“ 6/7'92.
Irmhild Drechsler ist kein Einzelfall in Ostdeutschland. Die ostdeutschen Frauen sind die großen Verlierer der „Einheit“. 91 Prozent der Frauen waren in der DDR berufstätig, 86 Prozent mit einer abgeschlossenen Ausbildung. Seit der Wende verloren fast zwei Millionen ostdeutsche Frauen ihre Arbeit, nur 40 Prozent von ihnen konnten über ABM wieder eine kurzfristige Beschäftigung finden. Frauen stellen Zweidrittel des Arbeitslosenheeres in den neuen Bundesländern. Aus ihrem gewohnten Arbeitsleben abrupt herausgerissen, sind sie stärker als die Männer betroffen. Erwerbstätigkeit hatte für sie mehr als Broterwerb bedeutet, gab ihnen Selbstbewußtsein, Unabhängigkeit und verhieß auch Anerkennung. Nun zeichnet sich für sie die traurige Perspektive ab, auf längere Zeit bzw für immer an Heim und Herd verdammt zu sein. Die übergroße Mehrheit der ostdeutschen Frauen will jedoch auf ihr Recht auf Arbeit nicht verzichten (nur 3 Prozent können sich mit einem Hausfrauendasein begnügen). Diesem Wunsch muß die Bonner Politik Rechnung tragen. Doch sie tut sich schwer bzw versucht, den ostdeutschen Frauen ihre „neue Freiheit“ - befreit von den
Mühen eines Arbeitsalltages und befreit von gesellschaftlicher Verantwortung - in platten Phrasen zu lobpreisen.
Schon Frauen ab 35 empfinden sich als verlorene Generation. Ein alarmierendes Zeichen. Vielen erscheinen ihre Anstrengungen, ordentliche Berufsabschlüsse zu erwerben, nunmehr „für die Katz“ Die Qualifikation von DDR-Frauen war weitaus höher als in der Alt-BRD Was nützt ihnen dies jetzt?
Frauen mit Hochschul- und Fachabschlüssen - in Ost-Berlin betraf dies z. B. 12,9 bzw 22 Prozent der Frauen - wurden bzw werden oft als erste gekündigt. Und auch in den Vorruhesstand wurden bislang dreimal mehr Frauen als Männer genötigt.
Die meisten ostdeutschen Frauen sind in der Regel jedoch nicht gewillt, so schnell das Handtuch zu werfen und aufzugeben. Sie nehmen auch eine Tätigkeit an, die
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Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/373859.bich-will-schliesslich-nicht-umsonst-studiert-haben-l.html