nd-aktuell.de / 09.10.1992 / Politik / Seite 10

Mehrheit ist bedrückt

Zweifellos hat die Einheit für nicht wenige Bürger neue Lebenschancen und kreative Betätigungsfelder erschlossen. Zugleich ist aber festzustellen, daß die Mehrheit der Ostdeutschen, die noch vor zwei Jahren der deutschen Einheit zustimmten, jetzt die Art und Weise, in der diese Einheit vollzogen wird, als bedrückend empfinden.

Ich nenne den rigorosen Abbau des ostdeutschen Wissenschaftspqtentials, die Entwertung erworbener Qualifikation nen, das Sonderkündigungsrecht gegen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, und ich erinnere an die Besetzung zahlreicher Funktionen in Verwaltung, Institutionen und in der Wirtschaft durch Westimporte, die nicht immer die Qualifiziertesten waren.

Wer auf Eigenständigkeit pochte, sah sich schnell Verdächtigungen ausgesetzt... Die Bürger im Osten wollten mehr Demokratie, mehr Pluralismus und ein Leben, das sie ohne Existenzsorgen führen können. Sie erhofften einen vorurteilsfreien Dialog zwischen Ost und West. Sie waren und sind zu großen eigenen Anstrengungen bereit...