nd-aktuell.de / 21.04.1993 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 15

„Hilfreiche“ Amter

Seit eineinhalb Jahren bemüht sich Michael Kromer im sachsenanhaltinischen Lödderitz um Telefonnummer und -anschluß für seinen Ausrüstungsbetrieb für Großküchen, den er zusammen mit dem hessischen Fachmann Helmut Kulbach betreibt.

Als ein späterer Antragsteller bedient wurde und Kromer wütend nachfragte, verwies Telekom Staßf urt auf Telekom Magdeburg und Magdeburg auf Staßfurt. In der Art eines modernen Kohlhaas drohte der hartnäckige Existenzgründer, seine Mitarbeiter zu entlassen und das Geschäft einzustellen. Nach dieser erpresserischen Forderung fand sich eine Telefonnummer.

Daß er Bedarf an Außendienstmitarbeitern hat, meldete Kromer fünf Arbeitsämtern. Trotz der enormen Arbeitslosigkeit meldete sich aber keiner. Nachfrage brachte dann bei zwei Ämtern Bewegung. Da es vergleichbare

Tätigkeiten in der DDR so gut wie nicht gab, erwartete Kromer keinesfalls gelernte Au-ßendienstmitarbeiter, sondern Leute mit Technikverstand geschickt wurden Schuh- oder Lebensmittelverkäufer.

Für das neue Unternehmen bekamen Kromer & Kulbach von der Energieversorgung einen Anschluß für 10 000 DM angeboten. Da das Unternehmen Monopolist ist, hatten die Firmeninhaber die fragwürdige Auswahl, die Forderung zu akzeptieren oder keinen Strom zu bekommen.

Unterm Strich haben die Lödderitzer die Erfahrung gemacht: Die im Westen üblichen Amter existieren zwar auch im Osten, aber ihre Dienstleistungen liegen auf entschieden niedrigerem Niveau. Wobei die Chefs meist aus dem Westen kommen und neben Westgehältern noch „Buschzulagen“ einstecken...

THOMAS BISKUPEK