nd-aktuell.de / 06.05.1993 / Politik

Aschinger AG 9 arisierte 9 die Kempinski-Betriebe

In der Ausgabe der Zeitung „Neues Deutschland“ vom 15. April 1993 veröffentlichten Sie im redaktionellen Teil auf Seite 9 einen Brief von Tom Kempinski aus London unter der Überschrift ,„Arisierer' tarnen sich mit jüdischem Namen“. Ich habe im Auftrag der Historischen Kommission zu Berlin/Sektion für deutschjüdische Geschichte eine wissenschaftliche Arbeit über die traditionsreiche Berliner Weinhandlung M. Kempinski & Co. und das Schicksal ihrer jüdischen Gesellschafter verfaßt. Die heutige Kempinski AG -früher Hotelbetriebs AG - hat diese Studie angeregt und finanziert.

Weder die Historische Kommission noch die Autorin hätten diesen Auftrag angenommen, wenn auch nur der leiseste Verdacht bestände, die frühere Hotelbetriebs AG hätte das jüdische Unternehmen Kempinski „arisiert“ Ihre Überschrift zu dem Brief von Herrn Kempinski und die Behauptung, die Hotelbetriebs AG sei der „Arisierer“ der Kempinski-Betriebe, sind definitiv falsch.

Kempinski wurde 1937 von der Aschinger AG „arisiert“ Dieser Vorgang, die Verfolgung der Eigentümerfamilien Unger und Kempinski und die Ermordung des Gesellschafters Walter Unger in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager werden in meiner Arbeit ausführlich dargestellt. Auch die Rolle des Finanzchefs von Aschinger, der an der „Arisierung“ maßgeblich beteiligt war und der

in den 50 er Jahren eine leitende Position in der Hotelbetriebs AG bekleidete, wird detailliert analysiert. Des weiteren werden Akten zur Beschäftigung jüdischer Zwangsarbeiterinnen in den Aschinger- bzw Kempinski-Betrieben dokumentiert.

Meine Arbeit wurde Herrn Tom Kempinski und seinem Bevollmächtigten, Herrn Fritz Teppich, vor der Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Ergänzende Zeitzeugenaussagen und eine konstruktive Kritik wären für uns sehr wertvoll gewesen. Allgemeine Hinweise allerdings, die Arbeit- enthalte „eine. Menge Fehler“, konnten bisher nicht belegt werden. Den Vorwurf, ich würde das Leid und die Verfolgung der jüdischen Eigentümerfamilie „relativieren“ oder wissenschaftlich die Unwahrheit schreiben, möchte ich strikt zurückweisen.

Ich habe den Aufbau des Kempinski-Unternehmens und die innovativen Leistungen der Unternehmerfamilie als Teilaspekt der deutsch-jüdischen Kultursymbole interpretiert. Daß dieses seit der Emanzipationszeit aktuelle Anliegen und Modell durch die nationalsozialistische Barbarei zerstört wurde, halte ich für die größte Tragödie der deutschen Geschichte.

Ich kann nur hoffen, daß nach der Veröffentlichung meines Manuskripts im Herbst dieses Jahres ein ausgewogenes Urteil möglich sein wird.

Dr. ELFI PRACHT, Köln