Markant steht das Gebäude am Reichpietschufer in Tiergarten da. 1932 von Architekt Emil Fahrenkamp (1885 - 1966) errichtet, ist das ehemalige Shell-Haus mittlerweile Hauptsitz der GASAG. Das Unternehmen treibt es mit dem Projekt »Kunst im Bau« auf den Fluren des unter Denkmalschutz stehenden Hauses bunt: Künstler aus der Treptower Kunstfabrik am Flutgraben haben Flure und Treppenhäuser der beiden ersten Etagen gestaltet. Bis 2004 sind die nächsten zwei Stockwerke an der Reihe.
Gleichzeitig vergibt das Unternehmen jährlich einen Preis für Nachwuchskünstler bis 35 Jahre. In diesem Jahr ging die mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung an die 34-jährige Judith Hopf, Gastprofessorin für Video und Plastik an der Kunsthochschule Weißensee. Obendrein kauft die GASAG ein Werk der Künstlerin im Wert von 2500 Euro und finanziert den Druck des Ausstellungskataloges. »Ein beeindruckendes Beispiel für die Möglichkeiten einer fruchtbaren Zusammenarbeit«, nannte Prof. Lothar Romain, Präsident der Universität der Künste (UdK), die Ehrung. Die Gaswerke wollen nach Angaben von Unternehmenssprecher Klaus Haschker mit der Preisverleihung und dem Gestaltungsprojekt in dem Bürohaus junge Künstler aus der Kunstfabrik fördern. Im kommenden Jahr soll das Ergebnis bei der »Langen Nacht der Museen« und am »Tag des offenen Denkmals« der Öffentlichkeit vorgestellt werden. »Es können aber auch Führungen vereinbart werden«, so Sponsoring-Referentin Birgit Jammes. Das Industriegebäude, in dem die Kunstfabrik am Flutgraben ihr Domizil gefunden hat, steht ebenfalls unter Denkmalschutz. Die Ausstellung »Temporary No Good Universe« von Judith Hopf ist noch bis zum 26.Oktober 2003 in der Galerie der Kunstfabrik zu sehen. Hopf verarbeitet scheinbar banale Alltagssituationen auf skurille Weise auf Videos. Die Karlsruherin stellt die These auf: Die Medien inszenieren sich selbst und brauchen uns nur noch als Staffage und Quotenfaktoren. Gleichzeitig fragt sie: Die Welt, eine einzige Inszenierung?
Das Shell-Haus fällt auch noch über 70 Jahre nach seiner Fertigstellung auf. Der zehngeschossige Bau zieht sich wellenförmig entlang des Reichpietschufers. Im Innern treffen die Angestellten nun auf Bilder und Installationen. Die Malerin Franziska Goes bat die Angestellten, ihre liebsten Urlaubsfotos zur Verfügung zu stellen. »Ich wollte den Flur mit Erinnerungsspuren der Mitarbeiter überziehen«, erklärte Goes. Jörg Finus und Torsten Hennig begleiteten Angestellte von ihren Wohnorten zur Arbeit. Die Eindrücke hielten die Künstler auf Fotos fest und verarbeiteten sie als Collagen in Leuchtkästen.
Auch der Künstler Wessel Muller bezog arbeitende Menschen in sein Werk ein. Er will auf die alltäglichen Gewohnheiten im Shell-Haus verweisen. Denn so spannend das über 70 Jahre alte Verwaltungsgebäude von außen ist - innen bleibt es nüchtern. Lange, spartanische Flure, blau-graue Türen, beigefarbene Wände - so beherbergt es seit jeher seine Bewohner. Diese Funktionalität wollte Muller aufbrechen. In die Türfolge hat er zwei Türattrappen in Orange hinzugefügt. Sie führen scheinbar in denselben Raum. Auf beiden »Türen« ist »Zugang« zu lesen. Die Suche nach den Türen zum Büro bleibt erfolglos, an den Wänden stehen Regale.
Kontakt für Führungen am Reichpietschufer 60, Tel.: 78723042; Ausstellung Kunstfabrik bis 26.10., Do.- So. 14 - 19 Uhr, Kunstfabrik, Am Flutgraben 3, Treptow, Tel. 53219658, www.kunstfabrik.org