nd-aktuell.de / 23.07.1993 / Brandenburg / Seite 18

Laubenpieper bleiben noch lange im Ungewissen

Fast zwei Monate lang lagen die Entwürfe für den Flächennutzungsplan im Informationszentrum in der Friedrichstraße aus. Jeder konnte sich informieren, ob sein Kleingarten zukünftige Bebauungspläne überstehen wird oder nicht, jeder konnte seine Meinung abgeben.

Jetzt geht es zur Sache. Der Senat wird unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen die endgültige Fassung erarbeiten, teilte die Umweltsenatssprecherin Ulrike Plewnia mit. Eine direkte Einflußmöglichkeit haben die

Kleingärtner, die sich teils mit großem Protest, teils mit Resignation an den von Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer im Mai veröffentlichten Zahlen orientieren, aber nicht. 85% der bestehenden Gärten sollen danach erhalten bleiben, die restlichen 15% werden nach einer Zehnjahresfrist auf „sozialverträgliche Weise“ entschädigt. So weit so gut, doch was heißt hier sozialverträglich?

Im Bezirk Weißensee sind ein Drittel der Kleingärten bedroht, war von Gerlinde Nestler vom Bezirksamt zu erfah-

ren. Der im Grunde allgemein erwünschte Wohnungsbau soll zum Beispiel auf dem Gelände der Gartenanlagen „Grüne Wiese“ und „Am Steinberg“ realisiert werden. Da die dortigen Parzellen zu klein sind für eine Teilung erforderliche Mindestgröße 500 m 2 - wären viele der Laubenpieper gezwungen, ihren Garten aufzugeben.

„Der Garten ist für uns die einzige Möglichkeit, täglich etwas Grün um uns zu haben. Und besonders für alte und arbeitslose Menschen ist die Gartenarbeit ein Lebensun-

terhalt“, wendet Angela Bauer, zweite Vorsitzende der „Grünen Wiese“, ein. An den Zäunen der Anlage wird der Protest in bunten Farben auf Transparenten öffentlich gemacht: „Willst Du Bauland und kein Piep'gen, Garten weg? Dann tschüß Herr Diepgen! “ Unterschriftenaktionen und Demonstrationen hat es auch schon gegeben, nicht nur in Weißensee.

Eine finanzielle Entschädigung kann niemals aufwiegen, was viele in ihre Laube, die oft schon ein richtiges Häuschen ist, hineingesteckt haben.

„Wer kann schon eine alte Kastanie mit Geld ersetzen?“, fragt die Gartenliebhaberin Iris Thomeczek.

Wie die Sache ausgehen wird, kann heute noch keiner sagen. Die Angst um das eigene Stück Natur bleibt bei den meisten Laubenpiepern bestehen, auch wenn der Senat immer wieder betont, daß er nach sozialverträglichen Möglichkeiten suche. Für den einzelnen, der seien Garten verlassen muß, ist eine solche Lösung nicht zu finden.

IRIS ROEBLING