nung, Genossen, mit der Monotonie des yeah, yeah und yeah und wie das alles heißt, sollte man doch Schluß machen.“ Viele Väter und Mütter der Generation meines Onkels in der BRD hatten wenige Jahre später ähnliche Sorgen mit ihren Sprößlingen, die 1968 rebellierten - ohne das System zu ändern. Die DDR-Staatsführung aber war überzeugt, daß sich hinter der fast zeitgleich von West nach Ost schwappenden Mode der Klassenfeind verbarg. Den zwanghaften Funktionären fehlte jegliches Gespür für spontane Entwicklungen. Sie hätten sich selbst befragen müssen, um zu erkennen, warum Jugendliche - in Ost wie West - gegen die autoritäre Erziehung ihrer Eltern aufbegehrten. Mit Klassenkonflikten hatte der Beat nichts im Sinn: Proletarier- und Bürgersöhne der westlichen Länder waren sich wohl -noch nie in der Geschichte so einig wie in
den 60er Jahren. Beatmusik das war ein subkultureller Ausdruck des durch die Technik begünstigten weltweiten kulturellen Modernisierungsschub.
Trotz der Mauer lösten auch in der DDR die Beatcombos die Tanzorchester der 50er Jahre ab. Sie entdeckten nicht nur die Gitarre neu für sich, sondern äußerten ihr Lebensgefühl mit wilden Gebärden und nachgesungenen englischen Songs. Sie hießen The Butlers, Franke-Echo-Quintett, Team 4, müsic-stromers und Diana-Show Der Staat schaute ihnen erst mit gemischten Gefühlen zu, um sie 1965 zu verbieten. Die von aufgebrachten Beatfans spontan organisierte Beat-Demo in Leipzig konnte daran nichts ändern, einige Fans durften für einige Wochen in den Tagebau.
Michael Rauhut, erfolgreicher Doktorand des For-
schungszentrums für populäre Musik der Humboldt-Universität, wagte sich an die zu DDR-Zeiten zum heimlichen Tabu erklärten 60er Jahre. Anhand vieler bislang unveröffentlichter Dokumente aus den Staatsarchiven und Interviews mit Zeitzeugen belegt er in einer Fleißarbeit das sich aneinander reibende Verhältnis von Staat und Beatmusik. Der Leser staunt, wieviel Aufmerksamkeit die DDR-Funktionäre dem für sie unerklärbaren Phänomen widmeten. Die Angst vor Krawallen muß recht tief gesteckt haben. Rauhaut dokumentiert, wie der Staat zwischen rigoroser Ablehnung und ihrer späteren Förderung und gesellschaftlichen Anerkennung in den 70er Jahren schwankte. Er beweist, daß die 60er Jahre den Grundstein für den deutschsprachiglyrischen DDR-Rock mit seinem melodiösem Sound legten, der sich mit Namen wie Renft, Puhdys, Lift, Stern
Meißen verbindet. Mancher Musiker dieser Generation wird heute nicht undankbar über den Zwang zur Qualifikation sein, sichert es ihm doch eine Überlebenschance im harten kapitalistischen Musikbusiness. Auf welcher Seite er im „Konflikt zwischen dem glatten Bonzen-Beat und dem ehrlichen Pöbel-Beat“ - so Biermann stand, muß er ehrlich für sich entscheiden. Die Diskussion darüber steht noch aus.
Daß sich hinter dem 330 Seiten umfassenden Buch der Abdruck einer Dissertation verbirgt, spürt der Leser dank der substantivischen Sprache und einem Zuviel an Zitaten. Das erschwert leider den Genuß der Lektüre. Der Fan wird deshalb vor allem im letzten Drittel des Buches lesen, in dem heute bekannte Musiker wie Cäsar Gläser, Thomas Natschinski oder Achim Mentzel Anekdoten aus dem heute kaum noch nachvoll-
ziehbaren Musikeralltag zum besten geben. Und können Sie sich vorstellen, daß Schlagersänger Hans-Jürgen Beyer einst als Langhaariger der Bürkholz-Formation die Beatfans mit seinen 36 Sekunden ausgehaltenen hohen g zur Raserei brachte?
Rauhut füllt eine Lücke in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung der DDR. Wünschen würde ich mir einen historischen Vergleich zwischen ost- und westdeutscher Musikszene. Sicher würde er belegen, daß weder der Zwang durch die Politik noch der von Musikindustrie angepeilte Kommerz der Rockmusik auf Dauer bekommt. Und er würde Parallelen in der Rockförderung beider deutscher Staaten offenbaren. Wo liegt z. B. der Unterschied zwischen dem Westberliner Senatsrockwettbewerb und den Leistungsschauen der Amateurtanzmusik in der DDR?
Michael Rauhut: Beat in der Grauzone. DDR-Rock 1964 bis 1972 - Politik und Alltaag“ Basisdruck.
CHRISTINE WAONER
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/464971.die-monotonie-des-yeah-yeah-yeah.html