Am Mittwoch kam mit der Übergabe des etwa 8,5 Hektar großen Geländes die künftige Kinder-, Jugend- und Bildungsstätte Bollmannsruh an der nordöstlichsten Ecke des Beetzsees im Kreis Potsdam-Mittelmark ins Rollen. Hier soll nun ab Sommer ein in den neuen Ländern einmaliges Pilotprojekt entstehen, ein internationales und zugleich Ost-West-Begegnungszentrum, eine generationsüber-
und des kommunalen Bürgerdialogs.
Marion Brückmann, die Bürgermeisterin der Gemeinde Päwesin, auf deren Gemarkung die Bildungsstätte liegt, setzte gestern den gleichnamigen gemeinnützigen Verein nun offiziell in seine Trägerschaft ein. Das von einer hohen Arbeitslosigkeit geplagte havelländische Dorf hatte sich vor Jahresfrist zur Übernahme des in den 50er Jahren er-
richteten und reizvoll gelegenen Pionier- und Kinderferienlagers entschlossen. Bis zur Wende im Eigentum des Stahl- und Walzwerk Brandenburg, kam Bollmannsruh nach 1989 unter Regie der Treuhand, die zunächst ein aus dem Kreis ehemaliger Mitarbeiter gebildetes „Kindererholungszentrum“ weitermachen ließ.
Jahrelang war dann in der Schwebe, ob die Treuhand das in attraktiver Berlinnähe (etwa 40 Kilometer bis Potsdam oder Spandau), gelegene Kinderzenxrum nicht einfach zusammen mit dem benachbarten, 1928 als Ausflugsgaststätte gegründeten Ferienhotel „Bollmannsruh“ privatisieren würde. Dank „unserer Hartnäckigkeit und Zähigkeit“, so Frau Brückmann, aber auch mit Rückendeckung des Bildungsministeriums kam es anders. Nach über einjährigem Hin und Her verkaufte man
Ende Februar der Gemeinde das Gelände für 400 000 Mark.
Ein ganz schönes Sümmchen für die Gemeinde, doch sowohl die Bürgermeisterin als auch die Direktorin des Amtes Beetzsee, Ute Seeger, vertrauen auf das vom Vereinsvorsitzenden, Heinz Gotto, erstellte Konzept. Seine Zielgruppen sind Grundschüler, Jugendliche, Erwachsene, Rentner sowie Behinderte und Arbeitslose. Die Schüler sollen dabei über Erlebnistage und -wochen soziales Gruppenverhalten üben, sich mit ökologischen (Naturschutzgebiete um den Beetzsee), soziologischen (Lebensführung und Natur), historischen (Landschafts- und Siedlungsgeschichte), wirtschaftlichen (Tradition: Fisch und Ton) und alltagskulturellen (Atelierbesuche) Problemen auseinandersetzen. Altersmäßig nach oben hin offen sind dagegen sogenannte „erkenntnisund erlebnisorientierte Semi-
nare“ zu solchen komplexen Themen wie „Auf die Plätzefertig-arbeitslos?“, „Vereine sich wer kann“ oder „Rassismus - alle sind Ausländer, jch nicht!“.
Allerdings hat die Sache die mit dem 1. Juni starten soll - noch mindestens zwei große Haken beziehungsweise Unwägbarkeiten: Denn noch fehlt die erforderliche Anschubfinanzierung von etwa zwei Millionen Mark für 1994, die weder der Landkreis, noch das Amt, schon gar nicht die Gemeinde aufbringen können. Hier soll das Potsdamer Arbeitsamt über zunächst 32 ABM-Stellen, das Bildungsministerium mit einer stattlichen Fördersumme und die regionale Wirtschaft mit Sponsorengeldern Abhilfe schaffen. Alle Anträge dazu laufen schon, und im April will sich ein regionaler Förderverein „Bollmannsruh“ bilden.
ERNST ESPACH
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/476897.pilotprojekt-fuer-alle-altersgruppen.html