bringen
Die im April 1936 erfolgte Verhaftung blieb im Ausland nicht unbeachtet. Vor allem aus linken Kreisen gab es Proteste gegen die Verhaftung der Witwe Erich Mühsams, die zu einer vorübergehenden Haftentlassung führten. Wen das NKWD aber einmal in den Fängen hatte, den ließ es nicht wieder los. Es gab nur eine kurze Atempause für Zensl.
Einer, der im Fall Mühsam eine nicht unwesentliche Rolle spielte, war Herbert Wehner Vor der ersten großen politischen Wende seines Lebens, vom Anarchisten zum Kommunisten im Jahre 1927, war er nicht nur Anhänger, sondern auch Freund und Begleiter von Erich Mühsam. Das brachte auch die Bekanntschaft zu dessen Frau mit sich. Er selbst und seine Biographen - z. B. Hartmut Soell in seinem Buch „Der junge Wehner“ - haben stets geleugnet, daß Wehner bei seinem „Verhör“ in der Lubjanka in der Nacht vom 12./13. Dezember 1937 Zensl Mühsam belastet habe. Dagegen spricht der Punkt drei seiner in dieser Nacht gefertigten Schrift, in der es unter „Über Beziehungen von Trotzkisten nach der UdSSR“ heißt: “3.) Meine Auffassung ist, daß -
wahrscheinlich indirekt – noch
Verbindungen zwischen Frau Kreszentia Mühsam und Wollenberg bestehen. Obwohl ich selbst wohl nicht in einem Gespräch mit der Frau Mühsam Anhaltspunkte finden könnte, da sie mir nicht .vertrauen' wird, könnte ich in kurzer Zeit Näheres über ihren Umgang und persönliche Beziehungen manches in Erfahrung bringen.“
Zensl Mühsam wurde am 16. November 1938 ein zweites Mal verhaftet. Wie ihrer Kaderakte beim ehemaligen ZK der SED zu entnehmen ist, verschwand Zensl Mühsam danach nach Mordovo, in die Schwellenfabrik Nr 3.
Nach 1945 bekamen viele Frauen, die Schlimmstes während ihrer Emigrationszeit erlebten, ihre Fahrkarte nach Hause. Zensl Mühsam aber blieb, ihr Leidensweg sollte noch Jahre andauern. Warum? Darüber geben zwei Dokumente Auskunft, die beweisen, daß sie von anderen Emigrantinnen erneut verdächtigt wurde. So schreibt Roberta Gropper, die selbst zeitweilig in der UdSSR inhaftiert war, in einem Brief vom 5. Juli 1947 über Franz Dahlem an Wilhelm Pieck. „Von Zensl Mühsam erfuhr ich jetzt vor einigen Wochen von den aus Moskau zu-
rückkehrenden Genossen... Jetzt soll sich Mühsam auf der Durchgangsstation im Lux befinden... Ich mache darauf aufmerksam, daß Zensl Mühsam über das, was sie gesehen und gehört, nicht nur nicht schweigen wird, sondern wie ich sie kenne, auf der anderen Seite gegen die Sowjetunion stehen wird... Ich glaube, es wäre nicht gut, wenn Mühsam hier erscheinen würde...“ Wie aus einer „Nachfrage an die Genossen Pieck, Ulbricht, Dahlem“ vom 16. Oktober 1947 hervorgeht, waren auch andere an einer Rückkehr der Zensl Mühsam nicht interessiert. In dem mit „Keilson“ unterzeichneten Schreiben heißt es: „Ich erhielt heute durch die Genn. Heckert die Mitteilung, daß Z. Mühsam in Moskau ist und demnächst nach hier abreisen wird. Wir hatten seinerzeit doch telegrafiert, daß ihre Herreise nicht erwünscht ist. Sollen wir dieses Telegramm eventuell noch einmal erneuern?“ Die Unruhe der Grete Keilson war unbegründet. In Moskau war das dringende „brüderliche Ersuchen“ nicht überhört worden: Zensl Mühsam war inzwischen erneut prompt verhaftet worden. Erst nach dem Tode Stalins wurde die inzwischen 70jährige aus dem Lager in Nowosibirsk entlassen. Nach schier endlosen bürokratischen Prozeduren durch die Botschaft der DDR konnte sie dann 1955 endlich ihren Heimweg antreten.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/496395.von-eberhard-schroeder.html