Ein Hauch von Geschichte umweht das Haus Prenzlauer Allee 75. Der rote Klinkerbau, der wie eine kleine Kirche aussieht, diente bis zum Jahr 1934 dem Friedrich-Wilhelm-Hospital und seinem Siechenhaus als Leichenhalle. Die deutschen Faschisten funktionierten den Bau um zu einer „Feierhalle“ für ihren „Märtyrer“, den SA-Führer Horst Wessel.
Der russische Stadtbezirkskommandant nutzte das Haus im Mai 1945 für die Sprechstunden der Kommandantur Dort mußte die Bevölkerung einige Tage Fotoapparate und Radios abliefern, gab es Bezugsscheine für Wohnungen, wurde mit Stempeln „entnazifiziert“
19 Mai 1947 Herr Kommandant, führen Sie meinen Mann einem ordentlichen Lebenswandel zu, der läßt sein Geschäft als Fuhrunternehmer verkommen, macht Schwarzmarktgeschäfte und hat eine Geliebte in der Greifswalder Straße 210. - Aber es wurde auch von einer verzweifelten Frau nachgefragt, wo ihr Mann (KPD-Mitglied) geblieben sei, der sich nach Entlassung aus amerikanischer Gefangen-
schaft pflichtgemäß auf der Kommandantur gemeldet hatte. Als die sowjetische Militärverwaltung 1950 ihre Geschäfte voll der zivilen Verwaltung übergab, wurden die Kapelle und einige umliegende Gebäude von der Staatssicherheit der DDR genutzt. Nun sind Heimatmuseum und Bezirksverwaltung eingezogen.
Über einen Abschnitt der Geschichte ist einiges in der Ausstellung zu erfahren unter dem Titel „Kriegspfad Berlin 1945 - Moskauer Zeit in Prenzlauer Berg“ Zeugnisse der Zeit wurden zusammengetragen, Zeitzeugen befragt. Wer erinnert sich noch an den Befehl Nummer 4 des Generals Bersarin vom 20. Mai 1945, die Uhren in Berlin auf Moskauer Zeit umzustellen. Danach hatten
die Geschäfte von 6 bis 12.30 Uhr, nachmittags von 14.30 bis 20 Uhr geöffnet zu sein.
Zwischen 21. April und 2. Mai 1945 wurden im Bezirk mehr Häuser durch Kampfhandlungen zerstört als durch Luftangriffe. SS-Einheiten sprengten ganze Straßenzüge in die Luft, um vom Flakbunker Friedrichshain freies Schußfeld gegen die Russen zu haben. Noch über die Kapitulation vom 2. Mai hinaus hatten Soldaten völlig sinnlos die Schultheiß-Brauerei „verteidigt“, was viele Zivilisten das Leben kostete. Bedauerlich, daß man in der Ausstellung nicht die Namen der Kommandeure dieser Einheiten erfährt und was aus ihnen geworden ist. Genügend Literatur mit den vollständigen Kriegstagebüchern von SS-Einheiten gibt es. Prenzlauer Berg gehört zu den Bezirken, in dem sich noch heute Spuren des Krieges finden lassen. Die Projektgruppe des Kulturla-
dens, die die Ausstellung ausrichtete (Schirmherr ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Thierse), hat damit einiges über das Jahr 1945 erhellen und bewahren können.
Auch ein Besuch der Kellerräume ist zu empfehlen. Dort steht, als Fremdkörper in einem als Luftschutzkeller ausgestatteten Verschlag, eine durch Mehrheitsbeschluß politischer Vergangenheitsbewältiger demontierte und den Augen der Berliner entzogene Gedenktafel. Sie ist den Antifaschisten Werner und Friedrich Meister gewidmet, hingerichtet in Plötzensee der eine, 1938 in Emmerich ermordet der andere. Auf meine entsetzte Frage erhalte ich die Antwort: „Besser hier im Museum als auf dem Schrottplatz. In anderen Kellern, unterm Hause der Bezirksverordnetenversammlung, liegen noch mehr.“
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/498551.von-der-moskauer-zeit-in-prenzlauer-berg.html