Golzow im Oderbruch. Gebuddelt wurde hier seit eh und je. Als das Dorf zu Neufünfland geschlagen war, wurde zunächst die Wasserleitung verlegt. Dann kam Telekom, um den Ort an die große weite Welt anzubinden, und jetzt ist das Abwassernetz an der Reihe. Und immer wurden die Golzower zur Kasse gebeten.
In ganz alten Zeiten hatte der alte Fritz das Bruch trockenlegen lassen. Seitdem zählt es zu den fruchtbarsten Regionen Deutschlands. Melioration bedeutete aber hier nicht nur Wasser von den Äckern, sondern auch Wasser auf die Äkker zu leiten. So entstanden vor allem in den vergangenen vier Jahrzehnten riesige Bewässerungsanlagen. Der Fleiß der Landwirte in Golzow machte aus ihrer Genossenschaft etwas. Arthur Klitzke, langjähriger LPG-Vorsitzender, kann da nur lächeln, wenn manche Zeitungen heute den Golzower Erfolg seinem angeblich direkten Draht zu den DDR-Regierenden zuschreiben.
In Nachwendezeiten, als in der Nachbarschaft etliche Unternehmen in Konkurs gingen, stand auch den Golzowern bisweilen das Wasser bis zum Hals. Aber sie lieferten sich nicht geschäftshungrigen Beratern aus. Dr. Manfred Großkopf, Geschäftsführer der heutigen Landwirtschafts GmbH und Co KG, erinnert sich an zahllose kluge Ratschläge, wo-
nach die Felder zu groß und nicht mehr zeitgemäß sein sollten. „Konzentration und Spezialisierung der Produktion vollziehen sich aber auch in der Landwirtschaft weltweit“, resümiert er. „Wer das nicht anerkennt, hat am Markt keine Chance.“ Mit dieser Auffassung sah sich der Mann auch nach einer Reise in die USA bestätigt. Als dann die Bauernversammlung darüber zu befinden hatte, ob man zur einzelbäuerlichen Wirtschaft zurückkehren oder gemeinsam weitermachen sollte, lautete das Ergebnis 3 . 600.
Nicht ohne Stolz verweist der Geschäftsführer darauf, daß sie bis heute die 7 300 Hektar Ackerland beieinander halten konnten. Allerdings galt es schon einigen Attacken der Treuhand zu begegnen. 300 Hektar waren bereits an einen vermeintlichen Käufer vergeben. „Wir aber berufen uns auch bei bevorstehenden juristischen Auseinandersetzungen auf unser Zurückbehaltungsrecht“, schildert Dr Großkopf. „In den vergangenen Jahrzehnten investierten wir nämlich mehrere tausend DM pro Hektar Und damit erzielten wir eine bedeutende Erhöhung des Wertes unserer Ländereien. Das berechtigt uns, den Boden weiter zu bewirtschaften.“
Seit Jahr und Tag ist das Oderbruch der Gemüsegarten Berlins. Das sollte auch so blei-
ben. Zum Glück erwies sich die Legende, wonach die Böden im Bruch nitratverseucht seien, als Flop. „Außerdem muß ich den Berlinern ein Kompliment machen“, sagt Dr Großkopf. „Sie wünschen Gemüse aus dem Umland.“ Mit Handelsketten kamen alsbald auch Verträge unter Dach und Fach. Heute verkaufen Berlins Händler schneller, als das Gemüse in Golzow wächst.
„Für mich hat der Gemüseanbau eine soziale und auch eine ökonomische Funktion“, erläutert Dr Großkopf. Zahlreiche Bäuerinnen können wenigstens vom Frühjahr bis zum Herbst beschäftigt werden. Wo fänden sie in dieser agrarischen Region sonst Arbeit? Auch in Golzow mußte die Zahl der Beschäftigten um über die Hälfte abgebaut werden. Neue Technik wurde gekauft, die Pumpstationen waren umzurüsten, die Heizung war auf Öl umzustellen. „All das kostete viel Geld, aber es macht sich auch bezahlt“, meint der Geschäftsführer. „Die goldene Nase machen sich aber die Händler“, fügt Absatzchefin Karina Kafidoff hinzu. „Wir Erzeuger erhalten nur ein Drittel des Preises.“
Gewinn bringen müssen auch alle anderen Kulturen -Weizen, Sonnenblumen, Mais, Hülsenfrüchte. Nachdem das Getreide vom Feld ist, blickt Dr. Großkopf zuversichtlicher auf morgen und übermorgen.
Die Investitionen zahlen sich auch hier im Ertrag aus.
Wie behält ein Geschäftsführer in einem so riesigen Unternehmen die Übersicht, zumal da noch die Viehzucht ist? 1 100 Kühe mit einer durchschnittlichen Milchleistung von weit über 6 000 Kilogramm Milch pro Tier stehen in den Ställen. Und mit 600 Sauen liefern die Golzower monatlich mindestens 1 000 Läufer. „Der zeitliche Aufwand für den Feldbau ist im Vergleich zu früher sehr gering“, sagt Dr. Großkopf. „Meine Tätigkeit konzentriert sich darauf, den Bleistift immer auf beiden Seiten spitz zu halten.“
Dann fügt der Agrarmanager hinzu: „Zu Fuß kann das heute kein Mensch mehr erledigen.“ Dabei spielt er auf die EDV-Abteilung an. Sie fertigt ihm jene ökonomischen Analysen bis hin zur tagfertigen Übersicht über den Zahlungsverkehr, die er für seine Entscheidungen benötigt.
Im Oderbruch gibt es für die Golzower nur noch wenig Möglichkeiten, sich zu erweitern. Daher gingen sie am 1. März vergangenen Jahres mit einem 4 000 Hektar großen ukrainischen Agraruntemehmen ein Joint-Venture ein. „Ich bin sicher, daß wir mit unserem Know how, unserer neuen Technik und unseren Erfahrungen dort noch viel bewegen können“, denkt Dr. Großkopf.
JO SUND
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/506665.gemuese-kommt-mit-wachstum-kaum-nach.html