nd-aktuell.de / 31.03.2004 / Ratgeber

Sonderkündigungsrecht bei Hausabriss

Dr. jur. HEINZ KUSCHEL
Leider führt hoher Wohnungsleerstand unvermeidlich zum Umbau und zum Abriss von Häusern. Viele Mieter, darunter auch wir, sind entschieden dagegen, dass das auch erhaltenswerte, gut in Stand gesetzte und modernisierte Häuser betrifft. Auf Grund des Altschuldenhilfegesetzes musste unser Wohnungsunternehmen unseren Wohnblock an ein Dortmunder Architektenbüro verkaufen. Im Frühjahr 1999 begann eine umfassende Sanierung und Modernisierung der Wohnungen, aber schon im August war wegen Insolvenz der neuen Eigentümer Schluss damit. Die nun wiederum neuen Eigentümer, die Sparkasse Dortmund, will unseren Wohnblock im Rahmen eines Förderungsprogramms der Stadt Leipzig abreißen lassen. Dabei werde, so heißt es, von einem »Sonderkündigungsrecht« Gebrauch gemacht. Ist das zulässig?
Herbert K., Leipzig

Welche Wohngebäude dem Abriss verfallen, haben die Stadt- und Gemeindeverwaltungen und deren Abgeordnete zu entscheiden. Manche Entscheidung wird fragwürdig bleiben. In den betroffenen Städten und Gemeinden sind Stimme und Protest der Einwohner wichtig, um zu erreichen, dass erhaltenswerte Häuser stehen bleiben. Betroffene Mieter sind in jedem Fall die Benachteiligten, wenn sie aus Abrissgründen ihre Wohnung und ihr Wohnumfeld verlassen müssen. Bislang war im »Beitrittsgebiet« bei Mietverträgen, die vor dem 3. Oktober 1990 abgeschlossen worden sind, eine Wohnungskündigung wegen einer »angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks«, - auf gut Deutsch - wenn der Eigentümer dadurch mehr aus seinem Grundstück herausholen könnte, nicht zulässig. Dieser Mieterschutz ist im Einigungsvertrag verankert. Er wurde auch in die Mietrechtsreform vom 1. September 2001 übernommen.
Nur in wenigen Fällen hartnäckiger Verweigerung der Mieter, ihre »Abrisswohnung«, trotz guter Wohnungs- und Unterstützungsangebote der Vermieter, aufzugeben und der Aufhebung des Mietvertrages zuzustimmen, kam es hier und da zur Vermieterkündigung aus »berechtigtem Interesse« (§573 Abs. 2 BGB). Die Rechtsprechung hat dies als Ausnahme zugelassen und bestätigt, so u. a. das AG Jena mit Urteil vom 14. März 2003, Az. 22C1182/02 (veröff. in Wohnungswirtschaft & Mietrecht 4/03/211).
Inzwischen hat auch der Bundesgerichtshof zum hier genannten Jenaer Urteil Mitte März eine Entscheidung getroffen, wonach ausnahmsweise auch bei Mietern mit DDR-Mietverträgen so genannte Abrisskündigungen »aus berechtigtem Interesse« zulässig sind. Weil der Wohnungsleerstand weiter zunimmt, erleiden Wohnungsunternehmen durch laufende Unterhaltungskosten fast leer stehender Wohnblöcke und durch Mietausfälle erhebliche finanzielle Verluste.
Deshalb ist vorgesehen, dass den letzten Mietern in solchen Häusern, mittels eines neuen Tatbestandes gekündigt werden kann. So hat der Bundesrat schon am 13. Februar 2004 den Entwurf eines Gesetzes beschlossen, mit dem der § 573 Abs. 2 BGB mit einem Sonderkündigungsrecht geändert und ergänzt werden soll. In dem Änderungsentwurf heißt es, dass eine solche Kündigung zulässig sei, wenn ein Wohngebäude überwiegend leer steht und teilweise oder vollständig beseitigt werden soll. Aber die Vermieter müssen den gekündigten Mietern Wohnraum vergleichbarer Art, Größe und Ausstattung nachweisen, auch das soll Gesetz werden!
Der Kündigung sollte immer der Versuch vorausgehen, eine einvernehmliche Lösung zu finden, um das Mietverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen (mittels Schriftform) aufzuheben. Der Gesetzesentwurf wurde an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Demzufolge wird es noch einige Zeit dauern, bis das Gesetz in Kraft tritt. Wenn dies der Fall ist, werden wir darüber ausführlicher informieren.
Ob die in der Leserfrage erwähnte Sparkasse mit ihrer Mitteilung des »Sonderkündigungsrechts« die neue Gesetzesregelung meint, ist nicht erkennbar.