nd-aktuell.de / 07.10.1994 / Politik / Seite 3

Laufen auch Parteien an Sektenleinen?

Zu jenen, die nach dem Vorbild von Wirtschaftsmultis agieren, gehört die Scientology-Church. Der weltliche Gewinn muß gewaltig sein, betrachtet man das Hauptquartier in Los Angeles sowie eine Reihe weiterer Immobilien. Scientology reagiert scharf, dringt jemand in die Intimsphäre der Sekte ein. Auf Bücher folgen Anzeigen, Ex-

Mitglieder, die sich outen, werden vom hauseigenen Geheimdienst gehetzt. Nachdem Wege bekannt wurden, die Scientologen in die Chefetagen von Parteien beschreiten, interessiert sich sogar der Verfassungsschutz. Die FDP kann sich eine Unterwanderung nicht Vorstellen, die CDU erinnert sich an italienische Logen-' Verhältnisse und reagi'e'rt mit Rausschmiß von „Doppelmitgliedern“ Glaubt man so alle Fragen nach der Verflechtung von Sekten und Regierungspolitik beantwortet zu haben? Die Illustrierte „Tango“ zitiert Bundesarbeitsminister Blüm, der sagt, die Sekte sei eine „verbrecherische Geldwäscheorganisation“. Ja und? Was unternimmt Bonn dann beispielsweise gegen die WISE (World Institut of Scientology Enterprises). Aussteiger Norbert Potthoff benennt WISE als „zuständig für den gesamten Bereich Handel, Banken, Verkehr, eben alles, was Profit abwirft“. In Deutschland bringt man die WISE - über Dutzende Unterfirmen - in Zusammenhang mit Namen wie Metro, Bonnfinanz, Philip Morris, Degussa, Wella oder Henkel. Der Sektenableger besetzt Positionen, pole Chefs um oder feuere sie. Das sagen Zeugen seit Jahren. Und seit Jahren bleiben staatliche Gegenmaßnahmen aus.

Dafür ist die Sekte aktiv Schon kurz nach der Maueröffnung versuchte man im Osten Fuß zu fassen. In Riesa und auf Usedom. Auch in Senf-

tenberg, so berichtete damals die „Wochenpost“, habe sich ein Geschäftsmann namens Peter-Uwe Krumholz mit allerlei Projekten großgetan: Er wollte eine Kabelfabrik erschleichen, in Senftenberg Wohnungen und in Klettwitz einen Möbelmarkt mit Tankstelle bauen; Zudem kümmerte! sich der Mann um „Ferien für Tschernobyl-Kinder“, bei de J nen es offenkundig nur um eine Kontakterweiterung in Richtung GUS gegangen ist. Als man die Vita von Krumholz erforschte, schwammen ihm und seinen Hintermännern zumindest diese Brandenburger Felle weg. Schon einmal, 1977, war der Mann in Berlin ins Gerede gekommen - als Chef der Scientology-Tarnorganisation „Narconon“ Die, so steht zu vermuten, hat sich wohl nicht nur um den Ausstieg junger Leute aus dem Drogenmilieu, sondern auch um deren Einstieg in die Welt der Sekten gekümmert.