nd-aktuell.de / 18.11.1994 / Politik / Seite 3

Jugendweihe? Nein, JugendFEIER

GABI BRAEMER, Humanistischer Verband Deutschlands: Berliner Angebote für Konfessionslose

Frau Braemer, JugendFEIER statt Jugendweihe - alter Wein in neuen Schläuchen? Letzter Rettungsversuch für ein langweiliges Stück DDR, organisiert vom Humanistischen Verband Deutschlands?

Nein. Man muß ja immer wieder vorausschicken: Jugendweihen waren keine Erfindung und kein Alleingang der DDR, es gab sie auch in der Bundesrepublik, organisiert von freigeistigen Organisationen, die im Gegensatz zur Jugendweihe in der DDR an die Traditionen der europäischen Aufklärung, des Liberalismus und der deutschen Arbeiterbewegung anknüpften. Im übrigen glaube ich nicht, daß junge Leute, die sich an die DDR fast nicht mehr erinnern können und in einem inzwischen ganz anderen gesellschaftlichen Umfeld aufwachsen, für so etwas, was Sie ansprachen, noch zu gewinnen wären.

Kinder nicht, aber vielleicht Eltern. Als Frage formuliert: Warum kommen Jugendliche zu Ihnen?

Die Motive sind nicht auf einen Nenner zu bringen. Die meisten Jugendlichen möchten eine Feier, bei der sie im Mittelpunkt stehen, aber es ist auch die Erwartung, im Umfeld dieser Feier, von außen gleichsam, aus Kultur und Öffentlichkeit ein paar geistige Anstöße zu bekommen. Zudem: Viele Eltern sehen sich in einer familiären Tradition, aus der sie nicht ausbrechen wollen. Ich würde aber sagen: Die wenigsten nehmen aus klar polemischen Gründen, aus bewußter, sagen wir heidnisch konsequenter Abgrenzung zur Kirche an der Jugendfeier teil.

Also sind Sie ein ideologiefreies Unternehmen.

Ideologiefrei ja, aber weltanschaulich unverbindlich wollen,wir,nicht sein. Es gehtuns um Werte wie Toleranz,. Solidarität,. Würde -, und das persönliche Engagement für diese Werte.

Was müssen Interessenten tun, was bieten Sie?

Jeder muß sich selbst kümmern, nichts läuft mehr über die Schulen. Das finde ich auch prinzipiell richtig. Wir wenden uns an die Elternvertretungen, viele Eltern kommen dann zu uns ins Büro. Der Teilnehmer kann sich, so ab Spätherbst, für ein Projekt oder ein Wochenendcamp entscheiden. Am Ende, nach einem halben Jahr, steht die eigentliche Feier, in einem repräsentativen Kulturgebäude Berlins, etwa im Friedrichstadtpalast, im Schauspielhaus oder in der Philharmonie.

Übliche Rede, übliches Buch.

Eben nicht, und schon gar kein Gelöbnis. Es treten Künstler auf, mitunter die Eltern von Jugendlichen, die an diesem Tage ihre Jugendfeier haben. Es geht klassisch und zugleich rockig zu, ein musikalisch-literarisches Programm hat genau das 1 zum Inhalt, was junge Leute in diesem Lebensabschnitt bewegt, inklusive der dementsprechenden Respektlosigkeit. Und es werden nicht Reden gehalten, sondern Glückwünsche zum Tag ausgesprochen.

Welche Künstler treten denn so auf?

Etwa „Gundi“ Gundermann, Reinhard Lakomy, Ines Paulke, Die Zöllner, Barbara Kellerbauer, Dirk Michaelis, Anke Lautenbach mit dem Filmorchester Babelsberg, Schauspieler des Theaters „Fürst Oblomow“