JÜRGEN KUTTNER: Feuert der ORB einen Publikumsliebling? Foto: dpa
Was ein Kultmoderator ist, steht nirgends genau definiert, aber zumindest weiß man seit dem Wochenende, daß der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg zwei Kultmoderatoren hatte: Lutz Bertram der eine, Jürgen Kuttner der andere. Nachdem am vergangenen Freitag Bertrams frühere MfS-Tätigkeit bekannt geworden war, erklärte kurz darauf auch Kuttner, Kontakte zur Staatssicherheit gehabt zu haben. Im Gegensatz zu Bertram offenbarte sich Kuttner jedoch, bevor die entsprechende Information aus der Gauck-Behörde eintraf.
Er reiße sich nicht darum, diese Geschichte öffentlich zu machen, sagte Kuttner in einem taz-Interview, habe aber der Not gehorcht und wollte wenigstens noch einen Viertelschritt voraus sein. Schon vor sechs Wochen hatte er ORB-Intendant Rosenbauer und einige enge Freunde informiert,
Der 36jährige, der Kulturwissenschaften ...... studierte,' von 1987 bis 1989 im Verband bildender Künstler arbeitete und nach der Wende Geschäftsführer der neugegründeten Ost-taz war, wurde während seiner Armeezeit für das MfS geworben. Er habe zwischen 1977 und 1983 mit MfS-Leuten über Gott und die Welt und auch über Personen gesprochen. Beispielsweise über einen Kollegen, den er einen Antikommunisten nannte. Aller-
dings habe er der Stasi nichts grundsätzlich anderes gesagt als dem Kollegen selbst. Als er jedoch Westbesucher für eine MfS-Tätigkeit anwerben sollte, wollte er nicht mitspielen. Danach schlief die Verbindung ein. „Die haben sich nicht mehr gemeldet.“
Zwar sieht Kuttner seine damalige Tätigkeit heute mit anderen Augen, meint, er sei naiv gewesen und habe sich in einem Unrechtszusammenhang bewegt. Dennoch bezeichnet er die Stasi-Mitarbeit als Teil seines damaligen politischen Lebens. Er war zehn Jahre lang, bis 1989, in der SED, engagierte sich beim Festival des politischen Liedes. „Ich habe die Stasi akzeptiert“, sagt Kuttner, und er sei auch überzeugt gewesen, daß es ein wichtiger und richtiger Versuch war, den Sozialismus aufzubauen.
Über ein öffentliches Bekenntnis habe er öfter nachgedacht, damit aber gezögert. „Es heißt nur noch Stasi-Schwein“, meint er „Es wird da kein Unterschied gemacht zwischen Christa Wolf, die vor 40 Jahren mal zehn Treffen mit Stasis hatte, und Wolfgang Schnur, der da im Herzen der Opposition saß.“
Vorerst sind Kuttners Sendungen - „Sprechfunk“ beim Jugendsender Fritz und „Null Uhr Kuttner“ im Brandenburger Fernsehen - ausgesetzt. In diesen Sendungen, die auch von anderen Stationen übernommen wurden, plauderte der Moderator nach dem Vorbild des amerikanischen Talk-Radios mit Hörern und Zuschauern über alle Themen - von ernsthaft bis absurd. „Der pfiffige Plappermaster verarscht seine blöden Hörer, und die pfiffigen H.prer verharschen den blöden Moderator“, schrieb ein ND-Kritiker Zuletzt philosophierte er mit seinen Fans über die brisante Frage, warum Frauen und Männer sich auf unterschiedliche Weise ihrer Pullover entledigen. Kuttner ist bis zur Prüfung der Gauck-Akten durch einen ORB-Ausschuß beurlaubt. Dann entscheidet der Intendant über eine weitere Beschäftigung.
WOLFGANG HUBNER
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/527109.bes-heisst-nur-noch-stasi-schweinl.html