nd-aktuell.de / 17.01.1995 / Gesund leben / Seite 13

Misthaufen nach Art des Hauses

Schon als Andreas Schlausch noch angehender Diplom-Ökonom war, zog es ihn mit magischer Kraft in den Studentenklub, wo er mit seinem Freund Siegbert Nicolaides, der Kraftwerksanlagenbau studierte, hinter den Kulissen wirbelte. Als die Wende kam, hatten beide ihr Diplom in der Tasche und eine Ungewisse Zukunft vor sich. Beide entschlossen sich, was ganz anderes zu probieren, ihr Glück in der Gastronomie zu suchen. Schlausch eröffnete in Potsdam eine klitzekleine Kartoffel-Gaststätte, bei der schon bald wieder, wie zu DDR-Zeiten, galt: Sie werden plaziert;

Andreas Schlausch witterte die Marktlükke, die sich da neben all den Griechen, Italienern oder Chinesen auftat. Sein Freund aus Studienzeiten war sofort dabei, und beide machten sich auf die Suche nach einem Platz für ihren geplanten „Kartoffel-Pub“. Das Pförtnerhäuschen vom ehemaligen VEB Dentaltechnik Potsdam und eine kleine Fläche daneben bot man ihnen an. Hier entstand im Sommer 93 die Gaststätte, am 2. Dezember des gleichen Jahres wurden die ersten Gäste empfangen.

Die beiden jungen Männer hatten sich von Anfang an auf die Fahnen geschrieben, den Beweis anzutreten, daß die einheimische Knolle neben all den ausländischen Spezialitäten durchaus mithalten kann. Überall suchten sie Kartoffelrezepte zusammen, wühlten in Kochbüchern, nervten die Verwandt- und Bekanntschaft. Viele Gäste verrieten so manches Familienrezept, und wenn Schlausch und Nicolaides irgendwo auswärts essen, bestellen sie zielgerichtet Kartoffelgerichte und „stehlen“ mit Gaumen und Augen. So kamen etwa 200 verschiedene Rezepte zusammen, jedes wurde schon gekocht, etwa 100 stehen ständig auf der Speisekarte. Die Gerichte sind nicht nur preiswert (zwischen 4,70 und 18 DM), sie sättigen auch Bauarbeiter. Zu den Rennern gehört zum Beispiel der Misthaufen nach Art des Hauses, ein mit Käse überbackener Kartoffelbrei mit Sauerkraut.

Dreimal in der Woche (Dienstag, Freitag und Sonnabend) kann man neben leckeren Kartoffelgerichten auch zwischen verschie-

dener Livemusik wählen. Vom Schlager über Rock, Jazz und Dixie ist da vielerlei im wechselnden Angebot.

Der Laden boomt, es gibt kaum mal einen freien Tisch - also alles in Butter im Erdäpfel-Gourmettempel? „Njein“, so Siegbert Nicolaides. „Es ist schon ein gutes Gefühl zu wissen, daß die Idee so aufgegangen ist. Aber längst haben wir gemerkt, daß die Babelsberger Gaststätte viel zu klein ist. Wir sind fest entschlossen, weitere „Kartoffel-Pubs“ aufzumachen, in Neuruppin haben wir das schon in die Tat umgesetzt. Aber am meisten ärgert uns, daß wir bis jetzt unsere Kartoffeln nicht von Brandenburger Produzenten erhalten. Wir wären sehr daran interessiert. Versuche, beipielsweise Backkartoffeln aus märkischer Erde zu bekommen, scheiterten bisher an der Qualität.“ Kartoffel-Pub, Großbeerenstraße 107, 14482 Potsdam, Tel.. 0331/710159, täglich von 11 bis 2 Uhr, am Wochenende bis 4 Uhr geöffnet