„Noch zwei Monate, nachdem mein drittes Kind geboren war, fühlte ich mich körperlich wie ausgelaugt“, erzählt Annett K. Doch bereits ein paar Tage nach ihrer Niederkunft mußte die Wöchnerin wieder „arbeiten“, wie sie es nennt: „Sozialamt, Wohngeldstelle, Kindergeldkasse, Erziehungsgeldstelle, Polizei, Krankenkasse etc.“ Überall stundenlanges Warten auf verqualmten Gängen; des öfteren mußte die 30jährige geschiedene Berlinerin ihr Kind in einem der Ämter stillen und wickeln. „Laut Gesetz steht mir und meinen drei Kindern ? zwar die Sozialhilfe!während 1 meines Erziehungsurlaubes zu, aber im Grunde genommen muß ich mir jede Mark hart erarbeiten.“ Ihr zuständiger Sachbearbeiter im Sozialamt Berlin-Friedrichshain wies sie weder auf verschiedene Vergünstigungen wie die Befreiung von Rundfunk- und Fernsehgebühren hin, noch erhielt sie Weihnachtsgeld. Obwohl das laut neuestem „Wegweiser für die Sozialhilfe“, von der Senatsverwaltung für Soziales im Dezember vergangenen Jahres herausgegeben, auch ohne jeden besonderen Antrag geschehen sollte. Auch die soge-
nannte Bekleidungshilfe, die der Familie zweimal im Jahr zusteht, mußte sich Annett K. hart erstreiten.
Dazu kommt noch ein Problem: Wie Annett K. verstehen viele Sozialhilfebezieher die komplizierten Rechnungen auf den Sozialhilfebescheiden nicht. Doch nicht selten müssen sich vor allem alleinerziehende Frauen Sätze wie „Sie sind doch sonst nicht so dusselig“ anhören. Die freiberufliche Journalistin Anna B. fühlte sich erniedrigt, als sie vor der Geburt ihrer Tochter Geld für einen Kinderwagen beantragte und mit der Frage, warum sie denn „nichts angespart“ habe, ?abgespeist wurde. Nach § 38 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) steht werdenden Müttern und Wöchnerinnen „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ zu. Dazu gehören z.B. Schwangerschaftsbekleidung und eine Babyerstausstattung.
Daß das Sozialamt allmonatlich für die Auszahlung der Sozialhilfe die Kontoauszüge zur Kontrolle einfordert, versteht Annett K. zwar, „aber warum können Alleinerziehende das Geld nicht generell auf ihr Konto überwiesen bekommen? Immerhin handelt es sich bei den meisten nur um eine vorübergehende Zahlung.“ Laut BSHG liegt es im Ermessen der Sachbearbeiter, in welcher Form sie die staatliche Unterstützung auszahlen. Während in Bremen und Leipzig beispielsweise die Sozialhilfe teilweise sogar an Dauerbezieher auf das Konto überwiesen wird, beklagen viele Unterstützungsberechtigte in Berlin, die Bearbeiter täten so, „als müßten sie das Geld aus der eigenen Tasche bezahlen“
Doch die finanzielle Absicherung ist nur die eine Seite der Existenzangst der Alleinerziehenden. Die andere: Wie geht es nach dem Erziehungsurla,ub„weiter? Ei}r,.,F,paue.n,,iri einer. F. estanstejlungkejn Problem, soweit ihnen ein Kija-j Platz und flexible Arbeitszeiten gewährt sind. Für Freiberufler wie Anna B. ein schwierigeres Unterfangen. „Schon ein paar Wochen nach der Entbindung habe ich alle meine Auftraggeber abgeklappert, um nicht in Vergessenheit zu geraten und kleine Arbeiten für die nächste Zeit abzusprechen.“ Anna B. fand schnell einen Rhythmus, um neben Kinderpflege journalistisch arbeiten zu können.
„Selbst wenn ich es wollte, ich könnte nicht nebenbei arbeiten“, beklagt sich dagegen Susanne S. Ihre Tochter ist alles andere als ein friedlicher
Erdenbürger, schläft kaum eine halbe Stunde in der Nacht, beschäftigt die Mutter auch am Tag jede Minute.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/531487.kontoauszuege-werden-kontrolliert.html