nd-aktuell.de / 19.05.2004 / Ratgeber
Härtefall bei Mieter mit Behinderung
Wir sind ein Ehepaar mit Schwer- und Schwerstbehinderung. Seit 1968 wohnen wir im Haus, das jetzt einen neuen Eigentümer hat. Das Haus ist sanierungs- und modernisierungsbedürftig. Auf dem Hof befinden sich zwei Garagen, eine gehört mir, die andere habe ich für den Elektrorollstuhl gemietet. Wegen des Eigentümerwechsels sind wir besorgt, ob das bisherige Mietverhältnis aufrechterhalten werden kann. Welche Rechte hätte der neue Eigentümer, uns wegen Eigenbedarf oder Abriss zu kündigen? Haben wir Mieterschutz? Stellt die Entscheidung des Bundesrates über Abrisskündigungen eine nachteilige Situation für uns dar? Haben wir Anspruch auf Schadenersatz, falls gekündigt wird?
Siegmar B., Halle
Dem neuen Eigentümer kann der Wohnraum für sich oder seine Familienangehörigen (Eigenbedarf) zustehen. Die Gründe für sein »berechtigtes Interesse« sind im Kündigungsschreiben anzugeben. Die Kündigungsfrist würde neun Monate betragen, weil es sich um ein Mietverhältnis von mehr als acht Jahren handelt (§ 573 Abs. 2, Nr. 2, Abs. 3 und § 573 c Abs. 1). Aber in einem solchen Fall steht Mietern mit schweren gesundheitlichen Behinderungen der Härteschutz des § 574 BGB zur Seite. Damit kann die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangt werden, »wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter und seine Familie eine Härte bedeuten würde, die unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist." Die gegenseitigen Interessen sind notfalls vor Gericht abzuwägen.
Der Rechtsschutz und die Kündigungsmöglichkeit für die eine Garagenfläche, auf der die Eigentumsgarage steht und für die andere gemietete Garage, hängt vom Inhalt der Verträge ab. Sind diese Bestandteil des Mietvertrages, kann eine Kündigung nur mit der Kündigung der Wohnung erfolgen. Sind es vom Mietverhältnis getrennte Verträge, richtet sich die Kündigungsmöglichkeit nach den in den Verträgen bestimmten Kündigungsfristen.
Sind dafür keine Fristen vereinbart worden, regelt sich diese nach §580a (Kündigungsfristen). In der Regel gilt die dreimonatige Kündigungsfrist.
Käme es zum Abriss des Wohngebäudes, ist der Weg für den neuen Eigentümer auch nicht ganz einfach. Er braucht dazu eine staatliche Abrissgenehmigung. Und das dauert. Angenommen, er bekäme sie, dann ist die Aufhebung des Mietverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen - oder auch wenn keine Übereinstimmung zu Stande kommt - zwingend. Der Vermieter kann dann nämlich gemäß § 573 BGB »aus berechtigtem Interesse« kündigen. Wir hatten das im ND-Ratgeber Nr. 633 erläutert. Das in diesem Ratgeber angekündigte »Sonderkündigungsrecht bei Hausabriss ist inzwischen, am 31. März 2004, vom Bundestag beschlossen worden. Es erleichtert Kündigungen, wenn das Haus abgerissen werden soll.
Nach allgemeinem Rechtsverständnis ist jedoch der Vertragspartner, auf dessen Seite die Geschäftsgrundlage entfällt (hier das abzureißende Mietshaus) verpflichtet, dem anderen Vertragspartner umfängliche Unterstützung zu gewähren. Leider gibt es keine spezielle Vorschrift oder Schadenersatzregelung für solche Abrissfälle. Was ein »Abrissmieter« an Hilfe erhält, hängt auch von seiner Fähigkeit ab, seine Ansprüche konsequent zu vertreten.
Dr. jur. HEINZ KUSCHEL
Literatur: DMB-Broschüre »Kündigung und Mieterschutz«, Ausgabe 2002, ab Seite 63. Erhältlich bei Mietervereinen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/53347.haertefall-bei-mieter-mit-behinderung.html