nd-aktuell.de / 27.06.1995 / Brandenburg / Seite 18

Schnelle Hilfe in Lebenskrisen

Der Soziale Notfalldienst des DRK hat sich etabliert / Finanzierung nur durch Spenden

„Wir wollen nicht mit den bestehenden sozialen Einrichtungen und den dort arbeitenden .Profis' konkurrieren, sondern sie sinnvoll ergänzen“, beschreibt Tobias Glaunsinger den Ansatz des Sozialen Notfalldienstes (SND). Gerade in den Nachtstunden und am Wochenende seien die herkömmlichen Anlaufstellen nur unzureichend erreichbar.

Mehr als 160 Mal wurden Glaunsinger und die rund 20 anderen ehrenamtlichen Mitarbeitendes SND'in den vergangenen zwei Jahren zum Einsatz gerufen. Zunächst war man nur auf den Bezirk Prenzlauer Berg beschränkt. Seit einem Jahr gibt es den vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) unterhaltenen Dienst auch in Wedding.

An einen Fall kann sich Tobias Glaunsinger noch gut erinnern. Da war diese alte Frau, die vor ihrem alkoholabhängigen Lebensgefährten auf die Straße flüchtete und zwei Tage umherirrte, bis sie von einer Polizeistreife aufgegriffen wur-

Der Soziale Notfalldienst ist täglich von 17 bis 6 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen rund um die Uhr unter Tel.: 264 02 54 zu erreichen. Weitere Auskünfte erteilt der Kreisverband Wedding/Prenzlauer Berg des DRK, Tel.: 442 56 17

de. Keiner fühlte sich für die 75jährige verantwortlich. Selbst ihre drei in Berlin lebenden Kinder waren nicht bereit, sie aufzunehmen. Für die ratlosen Polizisten war der

SND der letzte Ausweg. Der brachte die verstörte Frau für die Nacht in einem DRK-Seniorenheim unter Sozialarbeiter sorgten anschließend für die weitere fachliche Betreuung.

Meist sind die Fälle allerdings weniger spektakulär. Der 14jährige Ausreißer, der nach wenigen Tagen nicht mehr weiter weiß, gehört genauso zum Klientel wie der Alkoholabhängige, der auf der Suche nach kompetenter Beratung ,und Hilfe ist. In der, Basisausstattung arbeitet der SND mit einer Gruppe von drei ehrenamtlichen, speziell geschulten Helfern, die über den City-Ruf auch nachts und an den Wochenenden erreichbar sind.

Im Gegensatz zum bezirklichen Psychosozialen Notdienst

suchen die Mitarbeiter des SND die Betroffenen auch direkt am Ort auf, begleiten Krankentransporte oder stellen die Grundversorgung bei plötzlichen Notsituationen sicher, wie zum Beispiel nach einem Wohnungsbrand.

Obwohl die Helfer ohne Entgelt arbeiten, plagen den SND finanzielle Sorgen. Mittel gibt es nur aus dem Spendenaufkommen des DRK und da die Dienste des SND kostenlos zur Verfügung stehen, stellt auch die „Kundenseite“ keine Einnahmequelle dar Tobias Glaunsinger hält daher staatliche Zuschüsse für erforderlich. Einen Hoffnungsschimmer gibt es bereits: der Bezirk Prenzlauer Berg sieht nach anfänglicher Skepsis mittlerweile Bedarffür die Arbeit des SND

JÜRGEN AMENDT