nd-aktuell.de / 04.07.1995 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Wirbel in der Leipziger Messe-Chefetage

Geschäftsführung ohne schlüssiges Konzept

Leipzig (dpa). Tag für Tag wächst das neue Messegelände im Norden von Leipzig, doch hinter den Mauern der Messegesellschaft mbH bröckelt es. Mitte Juni setzte der Aufsichtsrat den beiden für die Bereiche Marketing zuständigen Geschäftsführern Uwe Görlt und Siegfried Mattern die Stühle vor die Tür. Er verlängerte ihre Verträge, die Ende Juli 1996 auslaufen, nicht. Eine reichliche Woche später verkündete Mattern, bereits Ende Juli dieses Jahres seinen Posten räumen zu wollen.

Die Messegesellschaft und ihr Aufsichtsrat schweigen sich über die Hintergründe für den Personalwechsel aus. Der Aufsichtsratsvorsitzende, Leipzigs Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube (SPD), räumte bei seinen öffentlichen Erklärungen lediglich ein, daß es seit langem Kritik im Aufsichtsrat an der Geschäftsführung gegeben habe.

Die neue Messe soll im April 1996 eröffnet werden. Doch noch ringt die Messegesellschaft um ein schlüssiges Gesamtkonzept. Neben Hits wie der Automesse, der Bau- oder der Denkmalmesse landete sie in den zurückliegenden Monaten auch Flops. Die traditionsreiche Frühjahrsmesse, die Leipzig weit über seine Grenzen hinaus bekannt machte, verlor seit der Wende immer mehr an Attraktivität und verabschiedete sich 1995 sangund klanglos vom Messekalender. Die neue Fachpräsentation für biochemische Analytik - einzige Premiere in diesem

Jahr - lockte gerade mal 2 000 Besucher an.

Ende vorigen Jahres mußte sich die Messe von ihrem Traum eines eigenen Modezentrums verabschieden. Vor allem Mattern hatte sich für dieses Projekt engagiert, das in unmittelbarer Nachbarschaft des neuen Geländes nun als Investitionsruine steht. Insider hatten von Anfang an vor dem ,Bau gewarnt, denn die. Münchener Globana-Unternehmensgruppe hatte ein solches Orderzentrum bereits für 165 Millionen DM mehrere Monate früher in Schkeuditz bei Leipzig fertiggestellt. Zwei solcher Zentren, urteilen Fachleute, seien einfach zuviel für eine Stadt wie Leipzig. Für das nun leerstehende Zentrum muß die Messe noch 22 Jahre lang jährlich 3,2 Millionen DM Pacht an den Investor aus Hannover zahlen.

Der Count-down läuft: In zehn Monaten soll das neue Ausstellungsgelände fertig sein, mit 1,3 Milliarden DM eine der größten Investitionen im Leipziger Raum. Es soll das modernste Kongreß- und Messezentrum Europas werden. Doch das allein wird Austeller und Besucher nicht nach Leipzig locken-, zumal andere deutsche Messestädte auch neue Gelände anlegen. Und die Konkurrenz von Hannover, Köln, Düsseldorf, Frankfurt/Main und München ist übermächtig. Vielleicht bringt der neue Marketingmanager den Schlüssel zum Erfolg mit. Die Suche nach ihm hat Lehmann-Grube bereits aufgenommen.