nd-aktuell.de / 29.09.2001 / Politik

Eidechsen als Borrellien-Falle

Reptilienblut ist Sackgasse für Erreger aus Zecken

Tom Kirschey
Heilsame Eidechsen? Was sich anhört wie traditionelle chinesische Medizin, ist eine Erkenntnis der Populationsökologie. Auf der Atlantikinsel Madeira zeigte sich, dass die große Anzahl von Eidechsen die menschlichen Einwohner vor Borrelliose bewahrt. Der Auslöser dieser auch in Deutschland verbreiteten Krankheit ist das Bakterium Borrellia burgdorferi, das in Mäusen und in anderen Kleinsäugern lebt und für diese weitgehend unschädlich ist. Beim Menschen löst das Bakterium die Lyme-Arthritis aus. Die Erreger werden von Zecken übertragen. Um sich fortzupflanzen, muss eine Zecke dreimal in ihrem Leben Blut saugen. Wenn sie erst Blut von einer mit Borrellia infizierten Maus saugt, überträgt sie das Bakterium beim nächsten Stich auf eine weitere Maus. Untersuchungen haben gezeigt, dass es auch auf Madeira mit Borrellia infizierte Mäuse gibt. Warum aber ist Borrelliose auf Madeira praktisch unbekannt? Der Grund ist die Madeira-Mauereidechse Teira dugesii, genauer gesagt die starke Populationsdichte der flinken Reptilien. Auf Madeira gibt es mehr Eidechsen als Mäuse. Eine Zecke wird auf der Suche nach einem »Blutspender« also mit höherer Wahrscheinlichkeit auf eine Eidechse treffen als auf eine Maus. Zecken trinken durchaus auch Eidechsenblut. Interessanterweise enthalten Eidechsen jedoch niemals das Borrellia-Bakterium. Der Grund: Es kann im Echsenblut nicht überleben. Die enorme Zahl von Eidechsen auf Madeira hat also gleich zwei Effekte. Sie verringert die Wahrscheinlichkeit, dass sich Zecken mit Borrellia-Bakterien infizieren und sie reinigt ständig die Zeckenpopulation von Bakterien. Es ließ sich sogar eine Beziehung zwischen der Häufigkeit von Eidechsen und der Anzahl infizierter Mäuse zeigen. Infizierte Mäuse gibt es nur in Gebieten mit wenigen Eidechsen - wo es viele Eidechsen gibt, gibt es keine infizierten Mäuse.