„Was geht hier eigentlich vor? Wir sehen eine Mutter von zwei Kindern, die zudem auch noch schwanger ist und keinerlei Ambitionen zeigt, sich um die Versorgung ihrer Kinder zu kümmern, und das auch noch, obwohl sie einen Mann zur Verfügung hat, der eigentlich in der Lage sein müßte, den Lebensunterhalt für Frau und Kinder zu verdienen. Die Agitationen dieser Politikerin sind ein Schlag ins Gesicht aller derjenigen Frauen, die ihre Mutterschaft ernst nehmen ... Gerade die Frauen, die Kinder von Vätern, die ihre Kinder nicht ernähren können, allein aufziehen, werden durch die Politik der Frau Griefahn hochgradig korrumpiert“, schrieb Marie-Luise Jeglin aus Oldenburg in der NordwestZeitung. Mit ihr empörte sich so manche niedersächsische Hausfrau und Mutter Monika Griefahn dazu: „Wir sind hier im konservativen, katholischen Niedersachsen...“
Sie ist weiß Gott nicht die Frau, die so lebt, wie die Mit-
menschen es erwarten. Nicht, als sie das Mathematikstudium der vom Vater gewünschten Handelskarriere vorzog; nicht, als sie im Gummiboot von Greenpeace gegen die Dünnsäure-Verklappung in der Nordsee protestierte und nicht, als sie nach der Geburt ihres ersten Sohnes Jonas arbeiten ging, während ihr Mann ein halbes Jahr Erziehungsurlaub nahm. In der Familie zur Selbständigkeit erzogen und vom Geist der 68er Bewegung in die Hörsäle getrieben, vertraut sie zu allererst ihren eigenen Intentionen und Erfahrungen. Privat und beruflich. Die kritische öffentliche Begleitung ihrer kombinierten Familienund Berufsplanung ist wohl auch nicht ihr größtes Problem. Denn schließlich kam nach der Geburt -ihres dritten Kindes auch Bewunderungssund Ermunterungspost bei ihr an, und außerdem soll mit Stella die Familie jetzt komplett sein; Freunde und Verwandte haben's schriftlich.
Was von weitem so einfach aussieht und so privilegiert erscheint, ist auch für eine gut verdienende Ministerin mit Dienstwagen und Kinderfrau ziemlicher Streß. „Natürlich bin ich als Ministerin privilegiert und kann mir die nötige Infrastruktur leisten, aber ich habe meinen ersten Sohn bekommen, als ich ganz normale Arbeitnehmerin war, keine Sonderbehandlung hatte und eben nicht viel Geld verdiente. Aber für mich war die Kinder-
tagesstätte kein rotes Tuch wie für viele, ich habe das. ganz bewußt akzeptiert und geplant, und natürlich hat mir mein Mann auch geholfen.“
In der einen Hand die Akten, in der anderen das Kind - so fährt Monika Griefahn zwischen ihrer Wohnung und dem Umweltministerium hin und her „Frauen planen ihr Zeit-
budget einfach anders , meint sie. „Während Männer bis in die Abendstunden im Büro sitzen, kümmern sich Frauen zwischendurch um die Kinder und setzen sich danach zu Hause noch mal an die Akten. Das kann man ja auch machen, und es hat den Vorteil, daß man bei den Kindern ist.“ Aber wer fragt schon einen Minister,
wann er seine Kinder sieht? Als die Greenpeace-Aktivistin 1,990 von Gerhard Schröder ins Ministeramt geholt wurde, sah sie sich mit einem schwerfälligen Amtsmechanismus konfrontiert, der ihrer subjektiven Struktur so gar nicht entsprach. Aber es reizte sie, nicht vereinzelt operieren zu müssen, Kompetenzen zur Verän-
derung zu haben. Einerseits ist es Griefahn egal, ob die Amtskollegen männlich oder weiblich sind - es geht ihr um Sachfragen - , andererseits versucht sie soviel wie möglich Frauen in verantwortliche Positionen zu holen. Frauen haben einen kooperativen Führungsstil, findet sie, und den braucht man, um hierarchische Verwaltungsstrukturen aufzuknacken. Eine Aufgabe, an der sie seit Jahren arbeitet. „Ich habe bewußt eine andere Führungstechnik angewendet“, erklärt sie, „ich bin ein assoziativer MensGh, der Sachen auch gern besprich! Und ich finde, daß viele Mitarbeiter bessere Kenntnisse und einen größeren Einblick in manchen Fachfragen haben. Aber ich mußte immer wieder erleben, daß einem dieser Arbeitsstil als Führungsschwäche ausgelegt wird.“ Anordnungen sind einfach beliebter als intensive Diskussionen. Doch sie versucht es weiter. Organisiert Workshops, Projektarbeit und intensive gemeinsame Gespräche anstelle des einsamen Aktenlesen und -abzeichnens. Ein Mitarbeiter konnte sich nicht erinnern, in seiner 17jährigen Tätigkeit für dieses Haus auch nur ein einziges Mal nach seiner Meinung gefragt worden zu sein.
„Die nehmen viel schneller den Hut, als ein Mann das je täte.“ Auch ihr wurde mehrmals der Rücktritt nahegelegt, als die Schlagzeilen von der „schönsten Ministerin Deutschlands“ jenen von der „Familienfilzaffäre“ Platz gemacht hatten. Sie soll der Firma ihres Mannes kraft ihrer Kompetenzen finanzielle Vorteile verschafft haben. Es sei ihr um Inhalte gegangen - so ihre Version, bestätigt von einem unabhängigen Untersuchungsrichter Da gefälschte Dokumente eine Rolle spielen, die auf mysteriöse Weise einer Zeitung zugespielt wurden, liegt auch eine Rufmordkampagne durchaus im Bereich des Vorstellharen. Immerhin wird die Frau von der grünen Landtagsopposition als „störend“ und „Ärgernis“ bezeichnet, von der CDU vehement angegriffen, weil ihr Fall die Mehrheitsverhältnisse im Landtag schnell ändern könnte, und auch in den eigenen Reihen ist sie nicht nur beliebt, weil sie sich mit ihrem Ehemann Familie und Beruf gleichberechtigt zu teilen versucht.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/591179.eine-griefahn-im-ministerium-reicht.html