nd-aktuell.de / 16.03.1996 / / Seite 11

Von VOLKMAR HARTMANN

Akteure der DDR-Jugendpolitik und -forschung waren als Referenten geladen worden, so Harald Wessel, Helmut Steiner, Walter Friedrich und Wilfried Poßner. Die Debatten bezogen sich, darin bestand ein Vorzug gegenüber den selektiven Betrachtungen der Medien, auf den gesamten Zeitraum des Wirkens des Jugendverbandes in SBZ und DDR. Über die Gründerjahre, die Reformprozesse in der ersten Hälfte der 60er Jahre und das Schlußjahrzehnt wurde besonders ausführlich diskutiert.

Den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, die z.B. Manfred Wendt (Berlin/Rostock), Ulrich Mählert (Mann-

heim) oder Peter Helmberger (Berlin) vor allem über die Anfangsjahre und die Durchsetzung des Monopolanspruchs der Partei vorstellten, konnte substantiell nicht widersprochen werden. Natürlich vernachlässigt dieser Blickwinkel der politischen Zeitgeschichtsschreibung zwangsläufig das Engagement, die Motivation oder die Überzeugung des einzelnen FDJ-Mitglieds. Ob Alltagserfahrungen und sozialgeschichtliche Bezüge künftig stärkere Berücksichtigung finden werden, hängt wohl auch davon ab, inwieweit sich eine sozialwissenschaftliche Forschung über Jugend und Jugendpolitik in der DDR bzw

in Deutschland nach 1945 weiter zu etablieren vermag.

Die Debatte über die 60er Jahre, das Neue Ökonomische System, das SED-Jugendkommunique von 1963 und den Einfluß der Zeitschrift FORUM erregte auch hier die Gemüter. Modrows jüngste Forderung, aktennotorisches Material vorzulegen (Brief an Wessel, junge Weltvom 11. März) kann nur unterstützt werden.

Nicht minder brisant die Fragen an die DDR-„Endzeit“ Der anerkannte Leipziger Soziologe Walter Friedrich interpretierte Meinungsumfragen des von ihm geleiteten Zentralinstituts für Jugendforschung (ZU) aus den 70er und

80er Jahren. Er verwies auf im ZU registrierte Trends einer Abkehr Jugendlicher von der DDR-Gesellschaft. Lösungsansätze wären den Partei- und Jugendverbandsgremien übermittelt worden, allerdings fanden sie in der Ära Honecker immer seltener Eingang in die reale Politik. Diesem Phänomen trat der langjährige Zentralratssekretär und letzte Vorwende-Pionierorganisationschef Wilfried Poßner nur retrospektiv resignierend gegenüber. Man habe vom Zentralrat aus Korrekturen angemahnt, die „von höchster Stelle“ abgeschmettert wurden. So blieb ein dauerhaftes Unvermögen zu durchgreifenden Reformen auch im jugendpolitischen Bereich der DDR-Gesellschaft von der recht bunt gemischten Teilnehmerschaft zu konstatieren. Einig war man sich zumindest darin, die Probleme weiter zu diskutieren.