nd-aktuell.de / 25.09.2004 / Brandenburg

Die echte Ketwurst »fetzt urst«

Thomas Stürmer verkauft am Alex wieder das DDR-Pendant zum Hotdog

Steffi Bey
Eigentlich war sie nur das Pendant zum Hotdog. Inzwischen ist sie viel mehr: Kult und geschmackvolle Erinnerung. Thomas Stürmer, gebürtiger Ost-Berliner, hat die Ketwurst zurückgeholt. Seit einigen Wochen verkauft er das weiche, leicht knusprige Brötchen, in dem eine 15 Zentimeter lange Wurst steckt, die von einer curryähnlichen Soße umhüllt wird, in den Rathauspassagen am Alexanderplatz. Er behauptet, der einzig wahre Anbieter des einstigen DDR-Originals zu sein. Das fängt schon mit der Schreibweise an. Weil sich Ketwurst nun mal aus Ketchup und Wurst zusammensetzt, genügt ein »t«, erklärt der Geschäftsmann. Doch einige Imbissbudenbesitzer bieten »Kettwürste« an, weil sie glauben, der Name geht darauf zurück, dass die Würste immer in Ketten angeliefert wurden. Viel schlimmer findet der 39-Jährige aber das schlecht kopierte Produkt an sich: Da würden nur irgendwelche Supermarktbrötchen aufgeschnitten oder ein bisschen ausgehöhlt und darin auch noch Bratwürste platziert. »Alles falsch«, sagt Stürmer. Die echte Ketwurst war und ist ganz anders. Sie besteht aus einem lang gestreckten, tief vorgebohrten Weizen-Baguette, dass geschmacklich zwischen einer Schrippe und einem Milchbrötchen liegt. Darin befindet sich eine aufgewärmte Wurst, eine Kreuzung aus Wiener und Bockwurst. Der Clou ist die Soße, die Stürmer selbst anrührt und mit ein bisschen Schlagsahne verfeinert. Mehr möchte er nicht ins Detail gehen. »Die genauen Zutaten bleiben mein Geheimnis«, betont er. Schließlich sollen die Leute nur bei ihm das alte Original bekommen. Deshalb ließ er sich auch die Marke beim Patentamt schützen. Wie wird ein ehemaliger Jugendclubleiter, der sich nach der Wende selbstständig machte, unter anderem Parfüm vertrieb und Bands managte, zum Wurst-Experten? »Vor zwei Jahren hatte ich plötzlich Heißhunger auf eine echte Ketwurst«, erinnert sich Stürmer. Doch an keinem Imbiss fand er eine, die ihm wie einst schmeckte. Und so entstand die Idee, eine alte Erinnerung auf den Markt zu bringen. Der Geschäftsmann sprach mit früheren Verantwortlichen von DDR-Gaststättenbetrieben, fand einen Fleischer und sogar den einstigen Gesellen, der damals die speziellen Ketwurst-Brötchen formte. Nach einigen Testwochen mit Probekosten und Rezeptverfeinerungen war sein Ost-Produkt rekultiviert. Seit einem Jahr verkauft er im Zentrum Schöneweide. Seit diesem Sommer ist er mit einem Imbiss an den Geburtsort der Ketwurst zurückgekehrt und bietet sie in den Rathauspassagen an. »Ich freue mich, wenn Kunden sagen: Ja, es schmeckt wie früher«, gesteht Stürmer. Dennoch möchte er nicht auf der Ostalgiewelle mitschwimmen. DDR-Fahnen etwa wird es an seinen Ständen nicht geben. Unter dem Slogan »Fetzt urst!« will er demnächst den Verkauf in Hellersdorf und Hohenschönhausen starten. Pro Woche genehmigt er sich eine Kultwurst. Seine derzeit sieben Mitarbeiter dürfen täglich eine essen - zur Qualitätskontrolle. Für ihn verbinden sich vor allem schöne Jugenderinnerungen an das »DDR-Hotdog«, das es seit Ende der 70er Jahre zu kaufen gab. Seine Freundinnen lud er öfter zu einer Wurst auf dem Alex ein. Und er betont: Schon immer sei die Ketwurst etwas Besonderes gewesen, »da kam die "Grilletta", der DDR-Hamburger, einfach nicht ran.« Noch scheut er sich, das Produkt auch im Westteil der Stadt anzubieten. Seine Befürchtung: Westdeutsche könnten phonetisch »Cat-Wurst« verstehen und denken, es handele sich um Katzenfleisch.